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Das Treffen

von Selesila Fai Werin und Lainam da Sai


Selesila saß auf ihren weichen Kissen und trank Schai. Die Zeit des Buttertees war vorbei. An der Wand hing ein weißer Wandteppich mit einer Kampfszenerie. Eine Gruppe Krieger schien in einen gewaltigen Schneesturm geraten zu sein und am Rande des Teppichs schien der Sturm zu brennen. Sie hatte ihn gleich nach Ihrer Ankunft anfertigen lassen. Zur Erinnerung an den brennenden Schnee und die schwere Prüfung, die Naiville ihr damals auferlegt hatte. Und da erinnerte sie sich zurück an die Zeit in Klingol. Kalt war es dort gewesen und karg. Nicht so wie hier. Sie schaute auf ihre seidenen Kleider und trank einen Schluck heißen Schai und musste unwillkürlich grinsen. Dann erblickte sie eine kleine Holzfigur. Es war ein Quail, sehr zierlich geschnitzt und etwas ganz besonderes. Sie hatte diesen Quail von einem Elfen geschenkt bekommen, den sie einmal in Klingol kennen gelernt hatte. Noch nie zuvor hatte sie einen Elfen gesehen. Das war wirklich ein merkwürdiges Treffen gewesen damals, aber auch lehrreich. Denn nicht alles was spitze Ohren hatte, war auch ein Dämon.


Eine Menschenmenge in der Nähe des Hafen ließ vermuten, dass irgendetwas sonderbares eingetroffen sein musste. Eine Schlägerei konnte es auch nicht sein, da niemand laut die Schlagenden anstachelte. Ganz davon ab, dass es sowieso viel zu kalt und zu früh für eine Schlägerei war. Die Sonne schien noch ein wenig auf sich warten zu lassen.

Selesila war von einem der Wachhabenden im Palast geweckt worden, um eben diese Meldung über die Menschenansammlung und ihren Grund berichtet zu bekommen. Ein großer Dämon sollte auf-getaucht sein, der Gedanken hören und kämpfen wie ein Q´ail können sollte. Und so abscheulich sein, dass selbst die Wachen nichts gegen ihn ausrichten konnten und er sie mit fremden Flüchen belegen wollte. Schläfrig war sie aufgestanden.
Seit sie einige von Naivilles Tätigkeiten übernommen hatte, war es schon öfters vorgekommen dass sie in so frühen Morgenstunden geweckt wurde.



Früh am Morgen war Lainam da Sai in Nai Berolan eingetroffen. Seine Suche nach einem Bogen, wie ihn nur die Steppenelfen verwenden, hatte ihn von seiner Heimat im Reich der Naturgeister hierher geführt. Bisher war es immer so gewesen, daß ihm freundliche Menschen geholfen hatten, doch nun war er allein. Da half es auch nicht, dass Willi der Atomi, der sich in seinem Ohr niedergelassen hatte, beruhigend auf ihn einredete. Ihm war kalt und er hatte Angst. Die Enge der Stadt und die Menge der rumstehenden Leute schienen ihn wie eine körperliche Kraft zerdrücken zu wollen. Dass immer mehr Menschen stehen blieben, mit dem Finger auf ihn zeigten und dabei teils ängstlich, teils wütend miteinander tuschelten half ihm auch nicht weiter. Er hatte versucht auf der Reise ein wenig ranabarisch zu lernen, aber von den geflüsterten Worten, der immer größer werdenden Menge verstand er kein Wort. Immer wieder versuchte er sich verständlich zu machen, bat um Hilfe, doch niemand reagierte.



So früh am Morgen schon diese vielen Leute auf einem Haufen zu sehen, war wirklich ungewöhnlich. Sie schob die Leute an die Seite und wies alle an, endlich ihren Weg zu gehen. Ihr Herz pochte, was, wenn es wirklich ein Dämon war? Sie hatte noch nie offen gegen einen Dämon gekämpft und irgend etwas ließ sie bezüglich dieses Gedankens erzittern. Sie hoffte der EINE würde ihr nicht so eine schwere Prüfung auferlegen.
Als sie den Menschenkreis durchbrochen hatte, sah sie wahrhaftig eine seltsame Gestalt. Noch nie hatte sie jemals ein solches Wesen gesehen. Es hatte Ohren, so spitz wie eine Bergkuppe, und er musste fast die Größe eines Qa´ils haben. Seine grün-braune Kleidung wurde teilweise von einem grünem Umhang verdeckt. Er stand bewegungslos in der Mitte des Menschenauflaufs, der sich um ihn gebildet hatte. Jeder wollte ihn sehen, aber alle hatten Angst vor ihm. Es konnte ein Dämon sein, aber warum hatte er dann nicht schon die herumstehenden Leute angegriffen. War es ein guter Dämon? Er sah eigentlich nicht bösartig aus, eher verwirrt und hilflos. Selesila stand immer noch am Rand des Kreises und starrte dieses Wesen an. Erst jetzt bemerkte sie, dass die Leute auch sie anschauten und von ihr erwarteten, dass sie etwas unternahm.
Sie schluckte. Also kein Fehlalarm der Wache, wie sie es sich gerne gewünscht hätte. Wie gerne wäre sie jetzt wieder in ihrer Stube und würde Tee trinken anstatt hier dem Schrecken gegenüber zu stehen.

Gerade, als sie sich aufraffen wollte, auf den Dämon zuzugehen, bemerkte sie etwas an ihm. Etwas, das ihr durch die Aufregung entgangen war. Der Dämon hatte zwei sichtbare Waffen bei sich. Eine Waffe davon, hatte sie in ähnlicher Form schon einmal gesehen. Es war ein außergewöhnlich großer Bogen. Erst vor kurzem war solch ein Bogen in ihre Hände gelangt. Die andere Waffe war eine Art großes Messer oder kleines Schwert von ungewöhnlicher Form. Der Dämon schien ihr anzusehen, dass sie etwas unternehmen wollte und sprach mit erstaunlich normaler Stimme unverständliche Worte. Wollte der Dämon sie nur näher an sich locken? Vielleicht war der Dämon auch nur ihretwegen hier, oder wegen ihres Bogens. Und noch mal schien der Dämon etwas zu sagen. Das Wort kam ihr so bekannt vor! Aber sie verstand ihn nicht. Und dann, wie ein Blitz, fiel es ihr in den Sinn. Er sprach mit einem sehr starken Dialekt, aber er schien wahrhaftig Mataka, Hilfe, zu sagen. Er sprach Ranabarisch!

Jetzt wurde ihr einiges klar. Die wenigsten Leute hier sprachen Ranabarisch so gut, als dass sie die Sprache, von einem Fremden mit Dialekt, verstehen könnten.
Sie versuchte es: "Rakud do piluma?" Der Fremde schien die Worte nicht völlig zu verstehen, aber er sah hoffnungsvoll zu ihr hinüber, dass ihn endlich jemand verstanden hatte. "Rakur Lainam da Sai!", stellte er sich vor. Sie nickte ihm zu und sagte ebenfalls ihren Namen. Die Nai-Berolaner sahen sehr erstaunt aus, als Selesila begann, sich mit ihm zu unterhalten. Schon nach ein paar Sätzen wusste sie, dass Lainam da Sai vom Volk der Naturgeister aus der Westlichen Welt hierher gekommen war. Er hatte sich auf die Suche nach einem verlorenen Bogen seines Volkes gemacht. Selesila hielt es für klug, erst einmal nichts von "ihrem" Bogen zu erwähnen. Sie wendete ihre Aufmerksamkeit kurz den Leuten zu und erklärte ihnen, dass dieses Wesen kein Dämon war und nur aus einem fernen Land kam und die gängige Sprache nicht verstehen konnte. Dann sagte sie zu Lainam da Sai, er solle ihr folgen, da es schwierig würde, auf der Strasse ein Gespräch zu führen, ohne von den Menschen ständig umzingelt zu werden.



Lainam fühlte Hoffnung in sich aufsteigen. Endlich war da ein Mensch, der ihn verstand und mit ihm redete, statt nur mit dem Finger auf ihn zu zeigen. Dieser Mensch, der sich Selesila nannte, führte ihn weg von den vielen Menschen. Das Ziel ihres Weges schien ein großes Haus zu sein. Unterdessen versuchten beide, so etwas wie ein Gespräch zu führen. Selesila, um mehr über diesen Fremden zu erfahren und Lainam um seine Angst zu bekämpfen. Als sie jedoch das Haus betreten wollte, zu dem sie gegangen waren, blieb der Elf stehen. Nichts und niemand würde es schaffen, ihn in so ein Haus zu bringen. Er versuchte ihr zu erklären, daß er außerhalb der Stadt wollte, weg von diesen Mauern und den vielen Menschen. Doch er hatte Schwierigkeiten, das in dieser fremden, schweren Sprache zu auszudrücken.



Was wollte er nur von Ihr? Sie hatte ihn zu einer etwas abgelegenen Unterkunft gebracht, in der er für das erste unterkommen konnte. Doch anscheinend hatte er nicht vor, auch nur einen Fuß in das Haus zu setzen. Er fing wieder an schnell und hektisch in seiner Sprache zu reden. Einige der Wörter waren zwar ranabarisch, aber auch die waren schwer von den anderen zu unterscheiden. Sie blickte sich um. Lainam schien wirklich überall Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Es hatten sich schon wieder einige neugierige Leute in der Umgebung gesammelt, um den seltsamen Fremden zu sehen.
Nach einigen Minuten hatte sie genug Wörter mitbekommen um so etwas wie "aus der Stadt raus" zu verstehen.
Na gut, wenn er das wollte, dann sollte er das bekommen. Zumindest wären dort auch nicht so viele Menschen, denn zu viele davon schienen ihn ja zu ängstigen. Sie legte ihren Finger auf den Mund und versuchte ihm klar zu machen, dass sie ihn aus der Stadt bringen würde. Und da er sich ein wenig beruhigte, schien er sie verstanden zu haben.
Selesila schlug einen Weg ein, auf dem nicht viele Leute waren und führte Lainam direkt zum Palast des Schtanikas.
Lainam schien eine dunkle Vorahnung zu haben, doch Selesila wusste schon bescheid. Sie deutete ihm an, vor dem Palast auf sie zu warten und ging los, um zwei Pferde für sie zu holen.



Lainam war überrascht. Dieser Mensch schien verstanden zu haben, daß er weg von dieser Stadt wollte, doch dann brachte sie ihn zu dem größten Haus der ganzen Stadt. Er dachte sich, daß sie wohl etwas holen wollte und wartete. Genau diesen Augenblick suchte sich Willi, der Atomi, aus, um sich mit allem Nachdruck bei Lainam zu beschweren, daß er ihn so lange mißachtet hatte. Nicht daran denkend, wie es wohl auf andere wirken würde, antwortete Lainam sofort, allerdings weniger lautlos. Als Selesila mit den gesattelten Pferden aus dem Palast kam, hörte und sah sie einen Elf, der hitzig mit einer nicht vorhandenen Person diskutierte. Sie wunderte sich zwar, ignorierte es jedoch und machte auf sich aufmerksam. Sie bot ihm ein Pferd als Reittier an, was er jedoch ablehnte. Auf ihre Frage hin, ob er nicht verstanden habe, daß sie ihm das Pferd angeboten hatte, damit sie zusammen nach Außerhalb reiten könnten, nickte er zwar zustimmend, erklärte ihr jedoch, daß er ihr lieber zu Fuß folgen würde. "Ihr habt seltsame Sitten!" entgegnete Selesila und stieg auf ihr Pferd und machte sich auf den Weg Richtung Stadttor. Mit jedem Schritt, dem sie sich der wei-ten Steppe näherten, schien Lainam ein wenig ruhiger zu werden und als er zum ersten Mal das weite, nur durch den Horizont begrenzte Land vor sich sah, erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht und sein Gang wurde leichter. Sobald die letzten Zelte vor der Stadt hinter ihnen lagen, atmete er tief ein und lief einfach los. Seine Füße flogen nur so über das Gras und jeder Schritt schien für ihn der reine Labsal zu sein. Endlich nach so langer Zeit fühlte er wieder vertrautes Leben unter seinen Füßen und das wollte er genießen. Erst als er eine Weile gelaufen war, erinnerte er sich, oder besser Willi, daran, dass es da eine freundliche Frau gab, die ihn vor die Stadt geführt hatte und ein Recht hatte ein bisschen mehr beachtet zu werden.



Als er plötzlich losrannte, war Selesila ziemlich überrascht. Aber anstatt ihm hinterher zu reiten, blieb sie einfach stehen. Einige Minuten schaute sie ihm hinterher und sah ihn zuletzt nur noch als kleinen Punkt am Horizont, dann trabte sie ihm nach. Diese Person, Lainam, schien eine wirklich große Ausdauer zu haben. Aber das verwunderte sie schon fast nicht mehr, da sein gesamtes Verhalten so seltsam wie eine Tin`Galu Frucht war, die jedes mal, wenn man sie genoss, eine andere Wirkung entfalten konnte. Plötzlich blieb er für einige Sekunden stehen und kehrte zu ihr zurück. Als er sie erreichte, war er noch nicht einmal außer Atem. Wieder so eine Besonderheit an Ihm. Dabei war sie erst etwas über eine Stunde mit ihm zusammen, hatte aber schon so viele merkwürdige Eigenschaften an ihm kennen gelernt, dass sie nicht einmal mehr an einer Hand aufzählen konnte.



Endlich fühlte sich Lainam wieder besser. Die bedrückende Enge der Stadt hatte ihr Wirkung verloren und er konnte wieder frei atmen.
Als er auf dem Weg zu ihr zurück war, drängte sich ihm eine Frage auf, die ihn schon die ganze Zeit beschäftigte. Dementsprechend lautete seine erste Frage: "Ist es bei euch immer so kalt?" Selesila grinste ihn vom Pferd aus an. "Ihr seid nicht der einzige, der diesen Eindruck hat, aber wir haben gerade Sommer und es ist eigentlich heute sehr warm." Aber diesen kleinen Scherz verstand Lainam da Sai wohl nicht, denn er nickte nur wissbegierig. Selesila stieg ab und sie gingen eine Weile stumm nebeneinander her. Lainam schien die gesamte Umgebung in sich aufzusaugen, aber er fühlte sich jedenfalls hier viel besser als in Nai Berolan. Sie fragte sich, wie er die Reise auf einem Schiff wohl überstanden haben musste. "In meiner Heimat sieht alles ähnlich aus. Ich lebe auch in einer Steppe, aber hier gibt es viele Unterschiede. Euer Gras sieht ganz anders aus und eure Luft riecht ganz anders. In diesem Land spricht selbst die Steppe eine andere Sprache!"
Er erzählte ihr von seiner Heimat und seiner langen Reise bis in dieses Land.



Gegen Abend - Selesila war in der Zwischenzeit für einige Stunden in die Stadt geritten um Nahrung und Zelte zu besorgen und zumindest im Palast einen Bericht abzuliefern - errichteten sie ein kleines Lager. Lainam schien sich in der Steppe auszukennen und Selesila warnte ihn nur vor dem Quail bevor sie ging.

Die Tiere, die er bisher gesehen hatte, ähnelten zwar stark einigen Tieren aus dem Tieflandstreifen, doch es gab Unterschiede. Alle hatten ein dichteres Fell und einige Tiere hatte er überhaupt noch nicht gesehen. In der Ferne beobachtete er einen großen Raubvogel, der gerade jagte. Das musste dieser Quail sein, von dem Selesila gesprochen hatte. Er war etwas größer als Lainam selbst. Aber er war zu weit entfernt um genaueres von dem Tier zu sehen.

Sie stellten die Zelte an einer günstigen Stelle auf und machten ein Lagerfeuer. Sie hatte auch Tee mitgebracht und war gespannt auf die Geschmacksnerven des Elfen, denn bisher hatte sie noch niemanden Fremden kennen gelernt, dem der Tee auf Anhieb schmeckte. Er schien es zumindest nicht ungenießbar zu finden, denn er trank seine Tasse langsam aus und schien dabei jeden Schluck zu genießen. Sie musste sich erst an den Geschmack gewöhnen, als sie sich entschieden hatte in Klingol zu leben. Dann setzten sie sich und unterhielten sich.

Selesila erzählte von ihrem Volk, den Kithariern, den Ranabaren und allen anderen Volksstämmen in Klingol. Die Sitten und Gebräuche und auch von den Tieren, Dämonen und Göttern im gesamten Gebiet des Städtebundes von Ranabar.

Lainam erzählte von den Elfen und dem Naturgeisterreich. Wie sie alle zusammen lebten und auch von den Zeremonien, die sie durchführten. Dabei erzählte er auch etwas über den Bogen, den er suchte. Der Bogen eines Steppenelfen erzählte wohl seine Geschichte und wenn ein Elf stirbt, würde der Bogen zerbrochen, denn das Leben und die Geschichte des Elfen ist zu Ende. Und Lainam hatte gespürt, dass einer seines Volkes gestorben war, weit entfernt von seiner Heimat. Also hatte er sich auf die Suche nach dem Bogen gemacht, der anscheinend nach alter Sitte zerbrochen werden musste.
Selesila wurde einiges klar. Sie hatte nicht verstehen können, warum Lainam eine so beschwerliche und auch gefährliche Reise hatte antreten können. Aber jetzt verstand sie.
Es musste so etwas wie eine Totenzeremonie sein und allmählich wurde ihr bewusst, das sie den Bogen, den sie von dem Händler als Dank erhalten hatte, wieder zurück geben musste. Ganz davon abgesehen, das ihn sowieso kaum jemand spannen konnte, nutze er ihr recht wenig. "Ich glaube ich habe so einen Bogen schon einmal gesehen Lainam. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es euer Bogen ist."

Lainam, der bisher ins Lagerfeuer gestarrt und dabei erzählt hatte, schaute interessiert zu ihr auf. "Ich werde gleich bei Anbruch der Dämmerung nach Nai-Berolan reiten und ihn holen. Es war ein Geschenk eines Händlers, aber fast niemand in ganz Nai-Berolan konnte den Bogen spannen." Der Elf lächelte verschmitzt. Sie erzählten noch die ganze Nacht und tauschten Ihre Geschichten aus, bis Selesila zu müde war um weiter zu erzählen. Lainam blieb noch wach, und Selesila merkte nicht, das er die ganze Nacht wach blieb, um auch der Stimme der Steppe noch zuzuhören, was sie zu sagen hatte.

Im Morgengrauen machte sich Selesila auf den Weg in die Stadt, um den Bogen aus Ihrem Quartier im Palast zu holen. Vorher machte sie sich noch frisch und stattete Naiville einen Besuch ab, um mit ihm die nächsten Aufgaben zu besprechen. Er war immer noch ungehalten über die lange Abwesenheit Selesilas, doch als sie ihm genau erzählt hatte was passiert war, beruhigte er sich wieder. Dann ritt sie zum Hafen, um sich nach dem nächsten auslaufendem Schiff zu erkundigen.

Stunden später erreichte sie das kleine Lager. Lainam saß auf dem Boden und hatte sie schon lange kommen sehen. Als sie ihm den Bogen zeigte schien er erleichtert, denn es war der Bogen, den er gesucht hatte. Lainam bereitete ein kurzes Ritual vor, in welchem er den Bogen einfach mit seinen Händen zerbrach. Selesila war sich sicher, das das Material eigentlich unzerbrechlich gewesen sei, aber sie wollte den Elfen auch nicht stören und wartete im Stillen bis er fertig war.

"Nun macht ihr euch bestimmt wieder auf den Weg in die Heimat?" fragte sie, während sie ver-suchte über dem Feuer etwas Essbares herzustellen. Lainam hielt kurz inne und nickte nur. "Nun ja, das habe ich mir gedacht. Deswegen habe ich mich nach einem auslaufenden Schiff erkundigt. Morgen wird das Frysenschiff, mit welchem ihr hier angekommen seid wieder auslaufen."



Am nächsten Morgen packten sie alle Dinge wieder ein und machten sich auf den Weg zurück in die Stadt. Selesila achtete dabei sorgfältig darauf, dass sie die belebten Strassen mieden. Am Schiff sprach Selesila mit dem Kapitän des frysischen Schiffs und bat ihn Lainam mit zu nehmen. Danach währe der Elf wieder auf sich allein gestellt. Aber er hatte die Reise ja auch schon einmal gemacht. Zum Abschied überreichte Selesila Lainam eine kleine Tiergestalt aus Gold. Sie hatte das Kleinod bisher immer als Glücksbringer bei sich gehabt. Doch ihr schien es angebracht, ihm etwas zu schenken. Es war eine kleine Abbildung eines Getuls. "Ich weiss, dass dein Volk nichts auf Besitzt gibt. Doch ich möchte Dir gerne ein kleines Andenken an deine Reise mit geben. Vielleicht sehen wir uns eines Tages ja einmal wieder."
Lainam bedankte sich und überreichte Selesila auch etwas. Für Klingol sogar etwas sehr kostbares, denn es war eine kleine Holzstatue, die einen Quail abbildete. Sie war sehr fein und genau geschnitzt worden. "Habt ihr das gemacht?" sie traute ihren Augen kaum. Er musste weit gelaufen sein, um ein geeignetes Stück Holz zu finden und musste es fertig gestellt haben, als sie in Nai-Berolan war, um den Bogen zu holen. "Vielen Dank, ich werde es in Ehren halten!"

"Vielleicht werden wir uns wirklich wieder sehen. Und dann besucht ihr mein Land!" Der Elf lächelte leicht und ging an Bord des Schiffes. Und niemand bemerkte, das es ihm überhaupt nicht gut dabei ging. Wenn er nur an dieses Schaukeln dachte. Aber er hatte ja noch Willi den Atomi, der ihn auf Trab hielt.

Selesila Fai Werin und Lainam
2003