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Eine Heimat für Keo

"Und wieder ein neuer Tag in Port Frysia." Keo blinzelte noch etwas verschlafen aus der Krone des Baumes, welchen sie sich als Schlafplatz erwählt hatte, in die aufgehende Sonne. Es versprach tatsächlich ein schöner, sonniger Tag zu werden. Kaum eine Wolke zeigte sich am blauen Himmel und ein sanfter Wind, der vom Meer kam, war selbst jetzt am frühen Morgen schon von angenehmer Temperatur.

Die Waldelfe angelte ihre Habseligkeiten aus den sie umgebenden Astgabeln und kletterte nach unten auf den frisch getrimmten Rasen. Warum ein Heer von Menschen Tag für Tag durch diese grüne Oase inmitten der Stadt hetzte und dafür sorgte, dass jeder Halm, jeder Strauch und jeder Busch sorgsam gestutzt wurden, verstand die Elfe bis heute nicht. Es waren seltsame Leute, diese Bahuuni.

"Allein, was für ein Drama es vor Monaten gewesen war, als ich den Park entdeckt habe", dachte die Waldelfe still bei sich.
"Ständig muss man irgendwas bezahlen oder wird davongejagt", rümpfte sie die Nase. "Dabei hatte der Pfau überhaupt nicht so gut geschmeckt. Es war ein ziemlich altes Tier, zugegeben, recht groß, mit hübschen Federn, aber eben alt und zäh. "Woher sollte ich wissen, dass sogar frei laufende Tiere hier irgend jemanden gehören?" maulte die Elfe weiter vor sich hin.

Keo plagte das Heimweh...die Einsamkeit in der Fremde, ohne Freunde und vor allem ohne ihre Familie machten ihr mehr zu schaffen, als sie sich selbst zunächst eingestehen wollte. Vor allen Dingen fehlte ihr Falk. Ihr Sohn war seinerzeit in der Obhut von guten Freunden in Titania zurück geblieben, um seinen Weg...seine Interessen, seine Ausbildung, wie Bahuuni es nennen würden, zu finden. Er war in dem Alter, da der Weg gefunden und beschritten werden sollte. Deshalb war die schmerzvolle Trennung vonnöten gewesen. Doch nun, die Waldelfe hatte den Eindruck, seit Wochen nichts Neues mehr in Port Frysia entdeckt zu haben. Seitdem ihr Lederbeutel mit den bunten Steinen fast leer war und keine für die Caswallonier interessanten Dinge mehr enthielt, hatte das Interesse jener Herrschaften an dem exotischen Geschöpf, das sie in ihren Augen wohl darstellte, merklich nachgelassen. Man hätte fast zu dem Schluss kommen können, als wäre es vielen dieser Menschen nur um die Steine gegangen, die zu geben Keo immer gerne bereit gewesen war.

"Dass ich Rionell noch finde, kann ich wohl getrost vergessen", sinnierte sie vor sich hin, während sie den Park auf mit feinem weißen Schotter gestalteten Wegen verließ. "Ich werde mir ein Tor suchen und heim kehren", dachte Keo und verließ dann, nachdem sie diese Entscheidung gefällt hatte, mit geschmeidigen Schritten die Stadt durch ein landseitig geöffnetes Tor. Ihr Weg führte sie zunächst weg von der Stadt. Sie durchschritt Wiesen, lief an zahllosen Äckern und Anpflanzungen vorbei und durchwanderte lichte, durch Menschenhand gezähmte Wälder, wo die Bäume gleich dem Weizen auf dem Feld eine kurze Zeit wuchsen und gediehen, um dann durch die Bahuuni gefällt zu werden. Es lag kaum ein Ast oder ein Tannenzapfen auf dem Boden. Keo wusste von Gesprächen, die sie vor Jahren mit befreundeten Wali geführt hatte, dass solcherlei Holz verwendet wurde, um Holzkohle herzustellen. Entsprechend sorgsam wurde es von armen Bahuuni aufgesammelt, die damit ihren Lebensunterhalt verdienten. Leider fehlte dieses Gehölz und Gestrüpp den Tieren des Waldes. Daher waren in solchen, von den Bahuuni gepflegten oder besser bewirtschafteten Gehölzen kaum Tiere zu finden.

Die Waldelfe jedoch genoss allein die Tatsache, sich in einem Wald aufzuhalten über alle Maßen. Für Keo war selbst hier der Tisch der Natur noch reichlich gedeckt, so dass sie keine Not zu leiden hatte. Sie kam gut und schnell voran, erfreute sich an den kleinen, unscheinbaren Wundern des Thyrin. Keo wandelte einige Wochen unter den Bäumen und bemerkte mit Freude, dass die Malataya um so stärker wurde, je weiter sie sich von den Bahuuni entfernte. Nur ein Tor in die Geisterwelt fand sie nicht. Eines Abends schließlich holte sie ein kleines, aus Eisenbaumholz geformtes Schmuckstück hervor, das sie ständig um ihren Hals trug. Diese Gabe ihres Gefährten Vanyar enthielt ihren persönlichen kleinen Vorrat an Wechselstaub, wie ihn ein jeder Elf ständig bei sich trug. Während sie die stilisierte kleine Frucht betrachtete, gedachte sie einmal mehr voller Sehnsucht ihres Mannes, der seinerseits in den Weiten der Welt unterwegs war.

"Bald, sehr bald werde ich dich wieder in meine Arme schließen können", seufzte sie voll Inbrunst, öffnete dann sehr vorsichtig das zerbrechlich wirkende Gefäß und besah sich den silbern und bläulich schimmernden Staub.

Keo hatte jenseits aller menschlichen Einflüsse ein kleines Tal inmitten eines gesunden und starken Thyrin gefunden. Am Talgrund schließlich war sie auf eine Lichtung gestoßen, auf welcher ein Tor hätte stehen können. Die Thyrin Elomain war stark hier, frei von Zwang und Beschränkung. Diesen Platz erwählte die Waldelfe für ihren Wechsel in die Geisterwelt.

Gemäß dem waldelfischen Ritual des Wechsels reinigte sich die Waldelfe zunächst symbolisch und auch sprichwörtlich vom Schmutz der gegenwärtigen Welt. Im Anschluss bestrich sie fast zärtlich zwei große, alte Bäume, welche sie als Tor erwählt hatte mit Spuren des Wechselstaubs. Dann benetzte sie sich selbst mit dem kostbaren Gut und vollführte jene überlieferten Schritte und Formen, welche nach dem Ritual notwendig waren, um zu wechseln. Hierbei stimmte sie mit leiser klarer Stimme ein uraltes, von den Druiden ihres Volkes bewahrtes und gelehrtes Lied an.

Nur wenige Tiere des Waldes wurden Zeugen, wie die anmutige Gestalt der Elfe anfing, sanft zu leuchten, um dann durchscheinend zu werden. Ihre Schritte führten sie schließlich durch das von ihr gewählte Tor und so verschwand Keo Falkenauge aus der Wachen Welt und wechselte in die Urheimat aller Naturgeister, die Geisterwelt.

Es war, als wäre sie nie wirklich weg gewesen. Titania erwies sich, zumindest für die glücklich heimgekehrte Elfe als ewige Kraft, als fester Hafen in ihrem langen und erfüllten Leben.

Trotzdem gestalteten sich die ersten Wochen nach Keos Ankunft in Titania schwierig und anstrengend. Täglich kamen Freunde und Bekannte, um die Waldelfe zu begrüßen und ihre Heimkehr zu feiern. So ergab es sich, dass Keo Tag für Tag ab dem frühen Mittag Gäste zu bewirten hatte. Und obwohl viele der Feiernden Gaben und Geschenke mitbrachten, musste die Elfe täglich auf den Markt, in die Zitadelle oder gar an den Hafen gehen, um dort ihre Vorräte zu ergänzen. Keo hatte sehr gern Gäste zuhause und freute sich still über die zahlreichen Komplimente ihre Kochkunst betreffend. So gab es Abend für Abend einen Festschmaus für alle, die sich zu dem Heim der Waldelfe verirrten. Wein, Bier, Met und all die anderen Getränke hatte Falk zu besorgen. Im Tausch gegen die von Keo zubereiteten Leckereien war dies jedoch keine besonders schwere Aufgabe. Falk, der sich zudem die ganze Schlepperei ersparen wollte, bestellte die Brauer, Imker und Händler kurzerhand zu sich nach Hause, wo sie dann auch gar prächtig entlohnt werden sollten.

"Jaja, kein Problem, Burolaf, meine Mutter kocht soviel, da werden auch ein paar mehr Mägen satt.
Bringt ruhig noch ein paar Freunde mit, meine Mutter hat gern Gäste", hörte sich Falk noch selbstsicher verkünden, als er nun, mit einer dumpfen Vorahnung behaftet den Heimweg antrat.

Er fand seine Mutter, angetan mit Schürze und einem einfachen Leinenkleid in der inzwischen zur Feldküche ausgebauten Lichtung. An zahlreichen großen und kleinen Feuerstellen köchelte das eine oder andere Gericht vor sich hin, während sich über einer gewaltigen Glut ein großer, in Salzteig eingeschlagener Braten drehte. Im Hintergrund sah Falk Crysalgira, Stadtherrin von Neu Descar, zwischen großen Bündeln und Säcken voller Gemüse sitzen. Die weiße Zauberin, die ursprünglich nur nach Keo sehen wollte, sah sofort, dass ihre Freundin Hilfe gut gebrauchen konnte und hatte kurzerhand ihr edles Obergewand ausgezogen. Nun saß sie im Unterkleid zwischen all den rohen Speisen und schnippelte und schälte vor sich hin. Auf ihrer Schulter hockte, wie so oft, Lirielle mit hektisch schlagenden Flügelchen und schnatterte vor sich hin. Offensichtlich wollte es der Kleinfee nicht in den Kopf, dass ausgerechnet sie nicht mit einem Messer umgehen sollte.

"Lirielle, das Eisen tut dir nicht gut", erklärte Crysalgira ihrer kleinen Freundin mit Engelsgeduld. "Warum nutzt du deine kleinen flinken Finger nicht, um die ganzen Beeren zu säubern und von Blatt und Stängel zu befreien?"

"Hmm gut, das ist ja auch eine wichtige Arbeit", antwortete die Kleinfee, flog zum Rand einer mit Preiselbeeren gefüllten Schüssel und begann, die Beeren zu säubern und sorgsam zu polieren, bevor sie in einem zweiten, jetzt noch fast leeren Gefäß landeten. Zwischendurch sorgte die Kleinfee mit dem Verspeisen einiger Beeren dafür, dass sich die zweite Schüssel nicht zu schnell füllte.

"Für heute Abend haben sich einige der Händler angesagt!" rief Falk seiner verdutzt dreinblickenden Mutter zu, während er die Lichtung betrat. "Irgendjemand muss ihnen von deinen Kochkünsten erzählt haben", schob er grinsend nach.

"Wer könnte das wohl gewesen sein", erwiderte die Elfe schmunzelnd, während sie sich mit dem großen Braten abmühte. Hierbei starrte sie immer wieder in die rote Glut und schien mit dem Braten oder dem Feuer zu sprechen. Als Falk näher kam, konnte er hören, dass sich seine Mutter wohl der Hilfe einiger Feuerkobolde versichert hatte.

"Ja, Irifan, das Salz hält ein Gutteil der Hitze ab, ihr könnt hier ruhig noch etwas heißer spielen", teilte Keo einer kleinen zwischen der Glut hin und her zuckenden Flamme mit. "Und wenn ihr Hunger habt, dort drüben, bei der Schmiede liegen noch säckeweise Schmiedekohle und Brennholz.
Seid so gut und holt euch das aber selbst, ich habe zur Zeit leider keine Hand frei."

"Gern Keo.....gern..." zischelte es aus der Glut und kurze Zeit später bot sich für die wenigen anwesenden Naturgeister ein seltenes Schauspiel. Aus der Glut heraus liefen vier kleine Feuerkobolde zur Schmiede hinüber, schulterten dort jeweils einen Buchen- und einen Eichenast und strebten dann mit ihrer Beute wieder der Glut zu. Der Geruch von angesengtem Holz lag in der Luft, als diese die großen Scheite auf die Glut legten und sich dann über das frische Holz hermachten. Es knackte und prasselte im Feuer und für einige Zeit leckten Flammen bis zur Salzkruste des Bratens hoch. Erst ein ordnendes Wort von Keo ließ das Feuer verlöschen. Nun sorgte wieder eine sattrote Glut für das Gelingen des großen Bratens.

"Du, Mama", wo sollen die ganzen Bahuuni denn hin?" fragte Falk seine Mutter, während er ihr von der im hinteren Bereich der Lichtung fließenden Quelle frisches Wasser heranbrachte.

"Die sollen sich ins Gras setzen, wie alle anderen auch", brummte die Elfe ein wenig ungehalten.

Falk fixierte Keo kurz und zeigte dann zu den immer noch sichtbaren Spuren im Gras, die die Feuerkobolde hinterlassen hatten.

"Den Kobolden billigst du doch auch ihre jeweiligen Refugien zu", bemerkte der junge Elf mit Blick auf die in der Glut verschwindenden Holzscheite.

"Ja, natürlich, sie sollen sich ja auch wohl fühlen bei mir", erwiderte Keo.

"Die Bahuuni brauchen dann aber auch ihre Plätze. Auch sie sollen sich wohl fühlen, finde ich", antwortete Falk. "Wenn ich als Bahuuni ein Wort dazu sagen dürfte", ergriff nun auch Crysalgira das Wort.

"Natürlich, liebste Freundin, was für eine Frage", gab Keo zurück. "Welchen Rat willst du mir geben"?

"Nun, nicht nur die Bahuuni, auch die Silberelfen, die Steingeborenen und viele andere sind Möbel gewöhnt, insbesondere wenn sie sich zu Tisch begeben. Ich finde auch, du solltest über irgendwelche Sitzgelegenheiten nachdenken."

"Es steht jedem frei, sich so einzurichten, wie es ihm gefällt", antwortete die Elfe, "doch ich glaube nicht, dass ich es jemals schaffen könnte, hier jeden Wunsch zu erfüllen."

"Das ist eine gute Idee", mischte sich nun auch Lirielle ein. "Jeder soll sich einfach mitbringen, was er braucht, um sich hier wohl zu fühlen. Eine wirklich sehr gute Idee." Die Kleinfee umschwirrte die beiden Elfen und die Zauberin aufgeregt. "Ich fliege gleich los und sage allen Bescheid. Bis später!"

Mit diesen Worten verschwand das flinke Wesen zwischen den Bäumen in Richtung Zitadelle, ohne auf die Rufe zu achten, die hinter ihr verklangen.

"Irgendwie glaube ich, das wird nun ein sehr interessanter Nachmittag werden", grinste Crysalgira vergnügt zu Keo und Falk. "Unsere kleine Helferin wird wohl nun zusammen mit ihren Freunden ganz Titania rebellisch machen."

Keo zuckte nur mit den Schultern und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu, während Falk beschloss, zurück in die Innenstadt zu gehen und dort zu sehen, was der Arbeitseifer der Kleinfee auslösen würde.

Es war wirklich erstaunlich, wie viel Durcheinander eine einzelne Kleinfee zu schaffen in der Lage war. Und wenn man sich nun vorstellt, dass Lirielle auf ihrem Weg noch zahlreiche Helfer aus ihrem Volk rekrutierte, die ebenso eifrig waren wie sie selbst, so vermag sich ein jeder vorzustellen, welches Chaos die kleinen geflügelten Boten in der großen Handelsmetropole anrichteten. Denn auch wenn eine jede Kleinfee sich bemühte, nach bestem Wissen und Gewissen die erhaltene Botschaft weiterzugeben, so kam es doch zu der einen oder anderen Abweichung im Sinn der weiter getragenen Nachricht.

Während also Lirielle pflichtschuldig jedermann erzählte, dass jeder, der zu Keo kommen wollte, seine Sitzgelegenheit mitzubringen hatte, machten auch andere Nachrichten, welche angeblich von der Waldelfe stammten, die Runde. Unter anderem ging das Gerücht, dass die Naturgeister im großen Waldelfenhain zu einer Versammlung geladen hätten und ihnen nun die Sitzgelegenheiten ausgingen.

Andere erzählten sich von einer großen Feier, bei der ein jeder Naturgeist sein Lieblingsmöbel vorzustellen hatte und vielerlei Nachrichten mehr. Es kam also genau so, wie Crysalgira vorausgesagt hatte. Es wurde ein interessanter, um nicht zu sagen turbulenter Nachmittag im Waldelfenhain. Zunächst vereinzelt, dann aber immer häufiger kamen zum Teil wildfremde Naturgeister, Bahuuni und auch andere Wesen vorbei und stellten allerlei Gerätschaften, Sessel, Liegen, Stühle, Bänke und dergleichen auf der Lichtung ab. Falk, der das Unheil kommen sah, hatte seinerseits die Handelsmeister informiert und um Hilfe gebeten, da die von den Kleinfeen in bester Absicht losgetretene Lawine nun nicht mehr aufzuhalten war.

Während Cendrasch anbot, sich nun um die ganzen benötigten Getränke und deren Lagerung zu kümmern, lief Lainam los, um mit zahlreichen Händlern am Hafen Absprachen bezüglich der Lieferung diverser Speisen zu treffen. Younani schließlich kam die wenig ruhmreiche Aufgabe zu, all das Chaos ein wenig zu ordnen und wo es nötig war, Vereinbarungen, Absprachen und Abkommen schriftlich zu fixieren.

"Das ist keine Handelsmeisterarbeit", beschwerte sich der Bibliothekskobold lautstark, während er den Federkiel schwang. "Und außerdem habe ich gar keine Zeit. Ich muss doch zur Elfenlichtung zu Keo und mir meinen Stammplatz sichern."

"Du bist Handelsmeister, also musst du das nun auch … ähm … meistern", hatte Falk unerbittlich zurück gegeben. "Aber ich denke, ich kann dir einen Platz reservieren. Wo soll ich dein Buch denn hinlegen?"

"Wie Buch?" blaffte Younani zurück. "Die Bücher bleiben hier, wo sie hingehören. Im Wald werden sie nur feucht und klamm, das schadet ihnen. Ich will einen erhöhten Sitz, damit ich alles gut sehen kann. Es soll gemütlich und warm sein und es soll trocken sein."

"Hm gut, besorg ich, nun schreib aber weiter, damit du bis heute Abend zum Festschmaus auch fertig bist."

Jaja, denk du nur an meinen Platz", brummte der Kobold und beeilte sich dann, seine Arbeit zu vollenden.

Anthardes als Schöngeist hatte mit derlei banalen Dingen nichts zu schaffen. Er war urplötzlich auf der Lichtung erschienen und hatte ungefragt damit begonnen, die ganzen unterschiedlichen Sitzgelegenheiten zu ordnen und zu gruppieren. Und da er offensichtlich bei der Einrichtung von Räumen viel Talent hatte, ließ man ihn auch gerne gewähren.

Zwischenzeitlich waren eine Menge Helfer auf der Lichtung eingetroffen. Es wurde gekocht und gewerkelt, getragen und geschlichtet, als plötzlich unweit der großen Küche der Boden nachgab. Großer Lärm erhob sich und aus dem Loch erschienen einige Zwerge, die eifrig bemüht waren, die noch brüchigen Seiten des Stollens abzusichern. Aus ihrer Mitte trat grinsend Cendrasch heraus.

"Seid mir gegrüßt, Keo, ich hatte Eurem Sohn einen Weinkeller versprochen", feixte er vergnügt. "Nun, er wird wohl heute nicht mehr ganz fertig werden, aber dafür ist der Stollen zum Hafen auch schon halb fertig", fügte er hinzu. "Bald wird niemand mehr mit den schweren Gütern über die schmalen Waldwege laufen müssen."

"Oh, das ist aber eine schöne Überraschung", gab Keo ganz gerührt zurück. "Der Zustand des Waldes war tatsächlich eine meiner größten Sorgen. Damit habt ihr mir eine große Freude gemacht."

"Och", trat Cendrasch nun ob des Lobs verlegen von einem Bein auf das andere, "immer gern zu Diensten."

"Ich nehme an, ihr habt Euch auch gleich Euer eigenes kleines Refugium geschaffen?"

"Naja", lächelte Cendrasch, dessen Erzadern am Leib nun eine sanfte Rotfärbung annahmen. "Zufällig ist unmittelbar bei der Treppe zu den Stollen und Kellern ein Vorraum entstanden, den könnte man ja nutzen. Zudem hättet ihr dann immer jemanden, der euch die schweren Fässer trägt und den Keller verwaltet."

"Eine wirklich großartige Idee ,Cendrasch. Ich kann, wie es scheint, jede Hilfe gut gebrauchen.
"Es ist also abgemacht, das Steinvolk kümmert sich um die Lagerhaltung und die Lieferung der Waren".

Nachdem der Zwerg zustimmend genickt hatte, war Keo, vieler Sorgen enthoben, zu Anthardes gegangen.
"Nun, wie kommst du voran?" lächelte die Elfe.

"Gut, ja ganz gut, nur es fehlt irgendwie Intimsphäre", gab die Dryade zurück.

"Ohhh nein, nicht hier, mach das in deinem Baum", wehrte sich Keo nun, da sie glaubte die Gedanken der Großfee zu erahnen.

"Doch nicht sooo!" rief Anthardes scheinbar pikiert. "Auch wenn das eine interessante Überlegung ist. Aber ich dachte mehr an Hecken, die die verschiedenen Sitzgruppen ein wenig von einander abgrenzen."

"Ach so, ja das ist eine gute Idee. Sprich doch mit den Druiden darüber, sie wollten sowieso vorbei kommen, um mit den Bäumen über das neue Blätterdach zu diskutieren."

"Ah ja, gut, das werdw ich machen", versprach Anthardes und schaute dann verdutzt an Keo vorbei zum Rand der Lichtung. Keo, die dies bemerkte, drehte sich ebenfalls um und sah dann etwas wirklich sehr Ungewöhnliches. Es hatten den Anschein, als ob ein großer, gräulich silberner Thron von ganz alleine den Weg heraufkommen würde. Dieser Thron wurde von einer Vielzahl von Kleinfeen umschwärmt, die alle auf das imposante Möbelstück einzureden schienen. Hinter dem Thron plagte sich jemand mit großer Mühe und Anstrengung vorwärts.

"Und ihr seid ganz sicher, dass Keo Falkenauge mich persönlich gebeten hat, meinen Thron aus dem Audienzsaal hierher zu schleppen?" hörten die inzwischen verstummten Anwesenden den Thron keuchen.

"Aber ja, aber ja", hörte man den Chor der Feen antworten. "Die Dame Keo höchstpersönlich hat das gewünscht. Es ist eine wichtige Elfenangelegenheit", raunten die Feen dann verschwörerisch weiter.

"Es will mir zwar nicht in den Kopf, aber Keo wird schon ihre Gründe haben", kam es zu Antwort und nun, da der Thron näher kam, konnte man auch sehen, dass sich Finyen höchst selbst mit der gewaltigen Sitzgelegenheit abmühte.

"In Oberons Namen, Falk, Cendrasch, rasch, helft Königin Finyen!" rief die Waldelfe halb entsetzt und halb amüsiert. "Unsere Monarchin wird sich noch einen Bruch heben mit dem schweren, unhandlichen Ding."

"Meine Grüße, Keo, da habt ihr mir ja einmal eine schwere Aufgabe gestellt", schnaufte die Silberelfe.

"Ähm, ich fürchte, Ihr seid ein Opfer der Arbeitswut der Kleinfeen geworden, Eure Majestät", lächelte Keo. "Kommt, nehmt einen Schluck, ich werde Euch die ganze Geschichte, soweit ich sie kenne, erzählen."

Finyen, die sich von der Anstrengung erstaunlich schnell erholte, setzte sich also zu Keo in die Küche, nahm wie selbstverständlich ein Schälmesser zur Hand und fing an Kartoffel zu schälen, während sie der Geschichte der Elfe lauschte.

"So war das also, na da haben sie mich ja schön reingelegt", schmunzelte Finyen. "Naja, wenn der Thron schon da ist, dann werde ich ihn zukünftig auch hier nutzen. Man könnte ihn ja vielleicht mit Moos polstern, was meinst du? In der Zitadelle sollen sie mir einen anderen Stuhl hinstellen."

"Das wird sich sicher einrichten lassen", gab die Waldelfe zur Antwort.

Inzwischen war es Abend geworden und die Lichtung, welche nunmehr mit verschiedensten Möbelstücken bestückt war, füllte sich langsam. Die Gäste aßen, tranken und feierten und von irgendwoher wurden sanfte Melodien und Gesänge vom Wind herangetragen. Sowohl die Lichtung als auch die sie umgebenden Bäume und sogar die Luft zwischen den Bäumen waren von allerlei Wesen bevölkert. Kobolde saßen in Astgabeln, Atomies und Kleinfeen schwebten in der Luft und von überall hörte man es lachen und singen. Auch Younani hatte ihren Platz gefunden. Wie Falk versprochen hatte, bekam sie den begehrten Stammplatz. Es war ein für Kobolde geräumiges Astloch in einer ehrwürdigen Eiche geworden, das Falk sogar mit ein wenig Moos ausgepolstert hatte.

Keo war glücklich. Etwas erschöpft von ihrem Tagwerk, aber glücklich, der vielen alten und neuen Freunde wegen, die alle gekommen waren, um zusammen zu feiern. Es herrschte ein besonderer, ein heiliger Frieden über der Lichtung.

Leise traten Finyen und Crysalgira zu Keo.

"Die wirst du nicht mehr los", grinste Finyen, "nicht, nachdem sie dieses Mahl genießen durften. Du bist eine wirklich außergewöhnliche Köchin und Gastgeberin."

Keo, der das viele Lob offensichtlich peinlich war, versuchte, die Situation mit einem verunglückten Hofknicks vor ihrer Königin ein wenig ins Lächerliche zu ziehen. "Sehr wohl, Euer Gnaden".

"Ich denke auch, dass du hier wohl deine Bestimmung gefunden hast", bemerkte nun auch die weiße Zauberin leise. "Schau sie dir an, wie glücklich alle sind".

"Es ist auch eine wirklich schöne Art, seine Zeit zu verbringen. So werde ich zukünftig eben eine Wirtin sein. Vanyar wird schön dumm schauen, wenn er aus der estlichen Welt zurück kommt. - Naja, das ist ja nun nichts Ungewöhnliches", bemerkte die Silberelfe spitz, grinste aber dann breit.

"Nun, dein Gasthof wird einen Namen brauchen, Keo", erinnerte Crysalgira die Waldelfe.

"Ähm, nennen wir sie ... Gasthof...oder ...bei Keo.. oder ...Waldelfenlichtung...", überlegte Keo scherzhaft. Dann aber überblickte sie ein wenig verträumt die Küche mit all ihren nun fast verloschenen Feuern. Die Feuerkobolde waren schlafen gegangen. Nur noch ein warmes rötliches Licht gaben die glühenden Feuerstellen ab. Und im Hintergrund beschienen sie den kleinen Wasserfall, der aus der Quelle gespeist wurde, die das Waldelfendorf in Titania von jeher versorgt hatte.

Das Wasser gab das Licht der Feuerstellen wie flüssiges Gold und Silber zurück und glänzte erhaben im Schein der aufgehenden Monde.

"Nun gut, ich denke ich habe einen Namen gefunden", flüsterte Keo leise zu ihren beiden Freundinnen. "Ich nenne den Gasthof ZUR LEUCHTENDEN QUELLE."


Atomimaß (Tropfen)
Feenkelch ( 2 cl )
Koboldbecher ( 20 cl)
Elfentrunk (0,5 l)
Zergenmaß (1 l)
Trollschluck (10 l)
Riesentrog ( 1 Fass a 50 l)

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