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Die Chronik der Naturgeister

Illin hed Nolon - Kommen und Gehen

Die Finsternis war vorüber. Vergangen war die schwarze Kälte der Todes; das Land erwachte zu neuem Leben. Erstes zartes Grün schob sich zaghaft durch die Erde, beinahe so, als wollten sich die jungen Pflanzen erst vergewissern, ob sie tatsächlich wieder Sonne und Licht zum Atmen hätten, oder ob sie ein weiteres Mal in der Dunkelheit ersticken müßten. Doch wahrhaftig, der Frühling war zurückgekehrt, das Land erblühte zu neuem Leben und mit ihm alles, was da in ihm und auf ihm lebte. Auch viele der Kinder der Natur erwachten aus ihrem langen Schlaf in der Dunkelheit. Sie wurden als die Glücklichen angesehen, mußten sie doch nicht Tag für Tag mitansehen und fühlen, wie das Land zugrunde ging. Einige jedoch schliefen nur manchmal und dann unruhig und voller böser Träume. Anderen blieb dies die meiste Zeit versagt und ihr Klagen erfüllte die Nacht. Einer schlief nie. Denn es obliegt dem Herrscher, das Land zu beschützen.


Dalan yil Bahuni - Sterbliche Lande

Elbenkönig Oberon kehrte zurück in die Welt der Menschen. Und mit ihm einige Naturgeister, die die lange Zeit der Dunkelheit in der Geisterwelt verbracht hatten. Es waren so wenige. Die meisten waren im Kampf gegen die Finsternis gefallen. Doch der Frühling ist die Zeit der Hoffnung, der ewige Beginn des Lebens. Dieses Mal besonders; Oberon konnte es fühlen.

Die Natur war nicht untätig geblieben. Viele neue Naturgeister waren entstanden, denn die Welt hatte sich verändert. Aber auch viele der alten Völker entstanden auf's Neue. Nun war es an ihm, sie zu rufen, zu einen und erneut mit ihnen für das Land zu sorgen. Magira war eine Menschenwelt geworden, viele der einstmals ehernen Gesetze galten nicht mehr. Die Dunkelheit hatte zumindest das erreicht; ihre Belohnung an die Menschen, die stets ihre willfährigsten Diener gewesen waren. Und nun glaubten sie, die Finsternis besiegt zu haben, aber die Naturgeister brauchten nur einmal in ihre Herzen zu sehen, um zu wissen, daß dem nicht so war. Viele Sterblich trugen einen Teil von der Finsternis in sich. Die Achtlosigkeit im Umgang mit dem Land, die Rohheit, die sie untereinander an den Tag legten, die Grausamkeit, mit der sie Schwächere behandelten.

Aber das mußte nicht immer bleiben, so wußten die Naturgeister. Und es gab auch einige Menschen ohne Arg, die reinen Herzens waren. So bestand also im Ganzen Hoffnung für die Sterblichen Lande.

Doch die Dunkelheit lebte weiter, verborgen vor den Augen der Menschen, nicht aber vor den wachen Sinnen der Natur. Die Finsternis hatte ihre Diener geschickt, um zu bewahren, was sie mühevoll erschaffen hatte. Immer noch gab es mächtige Orte voller Dunkelheit und Leblosigkeit. Diese Orte waren überall inmitten der Sterblichen Lande, manchmal so bösartig, daß es sehr gefährlich war, sich ihnen in der Geisterwelt auch nur zu nähern. Es gab nur eine Möglichkeit für die Naturgeister: Auch sie mußten in den Sterblichen Landen sein. Dann könnten sie den Menschen in ihrer Welt begegnen und auch den Mächten der Finsternis entgegentreten. Die Kinder der Natur würden all ihre Macht dafür aufwenden, die Finsternis für immer zu bannen. Und vielleicht würden einige Menschen sich ihnen anschließen. Es war immer noch die fürderste Aufgabe der Naturgeister, den Menschen das Wesen der Natur und ihre Bedürfnisse nahe zu bringen, ohne jedoch Zwang auszuüben.

Dalan Estrivel - Die Westliche Welt

Warum hier, Herr, fragten viele Naturgeister. Weil die Mächte der Dunkelheit hier besonders stark sind, antwortete Oberon damals. Einige ihrer eifrigsten Diener kommen hierher, unbemerkt von den Augen der Menschen, um ein Reich des Schreckens zu errichten. Und viele der Sterblichen Völker sind unstet, leichtgläubig, schnell zu verführen. Der König der Naturgeister sollte nur allzusehr rechtbehalten.
Dewhani Estrivel
(27-29 nach der Finsternis)

Doch im 27.ten Jahr nach der Finsternis in der Zeitrechnung der Sterblichen sah es zunächst friedlich aus.

Im Frühling kehrten die Naturgeister in die Welt zurück und schworen nimmermehr den Mächten der Dunkelheit zu weichen und für immer das Land zu beschützen und alles, was da in ihm und auf ihm lebte. Damit die Sterblichen nicht erschreckten, paßten die Naturgeister sich ihren Gepflogenheiten an. Wie die Sterblichen kamen sie auf Schiffen. Weit draußen im Endlosen Ozean waren sie aus der Geisterwelt in die Welt gewechselt. Unvergessen würde der Anblick bleiben, als Hunderte und Aberhunderte silbriger Segel am Horizont auftauchten und der Gesang der Klabautermänner und -frauen die See erfüllte. Denn wisset, die Schiffe der Naturgeister sind ebenso lebendig, wie sie selbst. Und nur für den Lidschlag eines Auges waren beide Welten eins. Dies würde lange Zeit, selbst nach den Maßen der ewig jungen Naturgeister, nicht rnehr geschehen, vielleicht nie mehr. Denn die Natur ist ihren eigenen Gesetzen unterworfen.

Die Sterblichen ließen die Naturgeister in Frieden. Ja, viele von ihnen waren dem für sie so fremdartigen Volk sogar freundlich gesonnen. Sie brachten dem König und seiner Gefolgschaft soviel Vertrauen entgegen, daß sie ihm einen Platz in ihrer Mitte gewährten. Die Naturgeister konnten ebensoviel Land in Besitz nehmen, wie die Sterblichen. Aber die Mächte der Dunkelheit waren bereits am Werke und sie wissen wohl, daß die Naturgeister sich nicht täuschen lassen. Also beschlossen sie gar nicht erst, sich zu verbergen. Noch während die Kinder der Natur auf dem Weg zu jenem Gestade waren, wo sie ihre Hauptstadt errichten wollten, wurden sie angegriffen. Der Schattenlord der Substanz von Mhjin, Mhjintrak Morul, hatte persönlich dazu befohlen. Aber das Land hat seine eigenen Regeln und Oberons Magie reicht weit. Die Kräfte der Natur, einmal entfesselt, können auch die Mächte der Dunkelheit nicht aufhalten

Ein Sturm brach los, der den Wind peitschte und die See aufwühlte und der nicht eher zu Ende war, als bis die Frevler bestraft waren. Und auch die Naturgeister selbst erwiderten den Angriff. Wahrhaftig, einer solchen Macht kann sich auch der Schattenlord nur beugen. Unbehelligt von den Belangen der anderen Völker konnten die Naturgeister nun ihren Weg fortsetzen.

Sie erreichten schließlich jenen Ort, den die Menschen die Geisterinsel nennen. Dewhani Estrivel (Aller Heimstätten), das Reich der Naturgeister in der Geisterwelt, entstand neu. Aber sie würden von nun an auch der Welt der Sterblichen verhaftet sein und so errichteten die Naturgeister Städte in deren Welt. Die Hauptstadt wurde auf der Geisterinsel geschaffen, wo sie Dewhani Estrivel immer nahe sein würde. Oberon zu Ehren nannten die Naturgeister sie Oberonia. Dies war ein Ort voller Glanz und Zauber, der obwohl in ihrer Welt errichtet, nicht von Sterblichen betreten werden sollte. Aber die Naturgeister wollten sehr wohl mit den Sterblichen verhandeln. Also bauten sie zwei weitere Städte in Dalan ido Lhur, dem Land zwischen den Meeren, welches die Sterblichen das Land der zwei Küsten nennen.

Auch diese hatten nichts mit den plumpen Gebilden gemein, die die Sterblichen Städte nennen, aber sie durften von ihnen betreten werden. Im Ydd-Wes entstand Foodtsiwollof, im Est-Mir Leckedolk, die später Riyatan heißen sollte.

Zwei Jahre sollte Frieden herrschen, von einigen kurzen Auseinandersetzungen der Sterblichen untereinander einmal abgesehen, weil diese scheinbar ohne den Krieg nicht leben können. Welch' bitterer Widerspruch in sich. Sie gehen sogar so weit, sich wegen eines lächerliches Schmuckstücks zu töten, einer Puderdose wegen. Einige Dinge werden die Naturgeister niemals begreifen können. Um dem ein Ende zu bereiten, errichteten sie zwei Städte im Kampfgebiet, um dann nach den Regeln der Sterblichen Besitzansprüche auf das Gebiet zu erheben und so den Kämpfenden das Schlachtfeld zu nehmen und das Blutvergießen für diesmal zu beenden. Auf der Insel der Tausend Beben im Wes entstand Rotarbiv, das später Caran heißen würde, und auf der Vögelinsel im Mir entstand Nesuahnetne, später Catanhar genannt.

Viele Naturgeister blieben oftmals in der Geisterwelt und kümmerten sich wenig um die Belange der Sterblichen. Es herrschte ja Frieden. Doch das Glück sollte nur von kurzer Dauer sein.

Illin del Lhur - Ankunft aus dem Meer
(30 nach der Finsternis)

Vielleicht hätten sich die Naturgeister mehr mit den Sterblichen befassen sollen, mehr mit ihnen zusammenleben. Aber viele lehnten das ab. Zu frisch waren noch die Wunden, die die Menschen geschlagen hatten. Wie fremdartig sie doch waren. Die Caswallonier, so stolz und so hingebungsvoll, vor allem an ihre Untugenden. Die Söldner der Cehisar, was sollten die Naturqeister von einem Volk halten, dessen Kultur und Lebenszweck darin bestehen, Kriege des Geldes wegen zu führen. Die Greifen, eine rnachtbesessene undurchsichtige Priesterschaft, die Götter anbeten. Die Amazonen ein altes Volk, zurückgekehrt, kriegerische Frauen, die sagen, daß sie lediglich für ihre Rechte kämpfen. Aber müssen sie deshalb die anderen verbannen? Das Volk von Clanthon, auch sie zurückgekehrt, ihre Menschen sind den Naturgeistern freundlich gesonnen, aber dennoch betrachten sie sie mit Mißtrauen. Das Volk von Erainn, das nicht ganz menschlich ist, aber das sehr viel mit ihnen gemein hat. In der Art der Intrigen und ihrer Kriege unterscheiden sie sich kaum. Ebenso das Wasservolk: Menschen, die im Wasser leben, aber dennoch sind sie Menschen und tun, was diese zu tun pflegen; friedlich sind auch sie nicht Auch sind sie mit den Dunkelreichen verbündet, die sich unter dem Banner von Spinne und Fledermaus zusammengerottet haben. Die Substanz von Mhjin, die von ebensolchen Dämonen beherrscht wird, wie der Herrscher des Wasservolkes, Yrkoon, einer ist?

Und schließlich das Steinvolk, die sich selbst Gybal-Sham nennen. Wie tief müssen Menschen sinken, um den Besitz ihresgleichen zu einem Bestandteil ihrer Kultur zu machen, wo Sklavenhandel allgegenwärtig ist, und ein Leben weniger zählt als ein Sandkorn in ihrer ewigen Wüste. Und ausgerechnet diese Menschen wurden unsere Nachbarn im Ydd-Wes. Schon damals machten sich viele Naturgeister große Sorgen. Wenn diese Menschen ihr eigenes Leben so gering erachteten, wie würden sie dann erst mit Nichtmenschen umgehen? Und sie sollten Recht behalten. Lange Zeit würde es keinen Frieden geben mit dem Volk von Gybal-Sham.

Die Wüstenvölkler betrachteten uns mit den gierigen Augen der Sklavenhändler, die anderen mit Mißtrauen. Es war keine gute Zeit für das Volk der Naturgeister. Zudem hatte sich die Grenze zwischen den Welten wieder aufgetan und es würden noch mehr Menschen kommen, von der Alten Welt, die weit hinter dem Endlosen Ozean liegt. Sie würden uns ebenso wenig verstehen können, wie ihre Schwestern und Brüder auf der Westlichen Welt. Aber würden wir sie verstehen? Wo auch wir große Schwierigkeiten haben, die Menschen der Westlichen Welt zu begreifen? Doch der König der Naturgeister ist weise. Wenn die Menschen uns so sehr fürchten oder sogar verachten, weil wir anders sind als sie, dann fällt es ihnen vielleicht leichter mit einem der ihrigen zu verhandeln, der in unserem Namen spricht. So geschah es: Für ein Jahr und einen Tag sollte Sador cyr Shar, ein ehemaliger Krieger des Wasservolkes unsere Belange in unserern Namen bei den anderen Völkern vertreten. Er entstammte sehr wohl dem Volk unter dem Meer, aber dennoch fürchteten die Sterblichen ihn nicht so sehr wie uns. Denn er war trotz allem ein Mensch, wo wir so anders waren.

Es nutzte jedoch nur wenig. Die Sterblichen wußten wohl, wen Sador cyr Shar vertrat und ihre Vorurteile überwiegten über die Vernunft. Vernunft wäre angebracht gewesen, denn viele Völker der Alten Welt waren gekommen und gierten nach Land. Die Menschen hofften nun sehr darauf, daß ihresgleichen aus der Alten Welt uns unser Land und Leben nehmen, damit sie es nicht selbst tun müssen; nur weg mit allem Fremdartigen. Weg mit allem, das sie nicht verstehen können, mit allem, daß anders ist. So grenzten sie uns aus und machten ihren Schwestern und Brüdern aus der Alten Welt deutlich, daß sie es begrüßen würden, uns vernichtet zu sehen. Allen voran das Steinvolk, ihm war die reine Kriegshetze zu wenig. Es war zudem mutig geworden, nachdem es sah, wo die Schiffe der Alt-Welt-Völker hinfuhren und die Söldner der Cehisar großmütig einem Angriff zugestimmt hatten. Die Kinder der Wüste wollten nun endlich diejenigen bestrafen, die ihren Menschen so eigenartige Ideen wie den Wert alles Lebendigen nahe brachten. Oder es war nur die pure Freude am Töten, wie sie den Menschen oftmals zu eigen ist, die sie dazu bewog.

Aber der Wunsch, Leben zu vernichten, reicht alleine noch nicht aus. Und die Menschen sind zufürderst stets um ihre Eigenen besorgt, nicht um die (entbehrlichen?) Verbündeten. Die Bruderschaft der Weisen, angeblich eine Gruppe von Suchenden nach Wissen, und vor allem die Söldner der Cehisar sahen sich sofort genötigt, sich um ihr eigenes Land zu kümmern, als das Schlangenvolk und die Legionäre aus dem Reich des Feuers nicht die Naturgeister angriffen; sondern vielmehr Kurs auf ihre Küsten nahmen.

Vielleicht hatten wir den Alt-Welt-Völklern unrecht getan, und sie waren bereit zuzuhören, wo die West-Weltler sich fürchteten? Das Steinvolk stand jedenfalls nun alleine da und war auf einmal gar nicht mehr so mutig. Die letzten Reste von Tapferkeit schwanden, als sie zu sehen bekamen, was wir an Waffen zu bieten hatten.

Wir Naturgeister lehnen den Krieg ab, aber wir können uns verteidigen. Ein Anblick wie der damalige ist wohl auch einer der Gründe, warum uns die Sterblichen viele bösartige Dinge nachsagen: Waffen, die man nicht sehen kann; Tiere, die zaubern können und das Land, das wir dazubringen, daß es unsere Gegner einfach verschlingt. Es ist wahr, daß wir dem Land dienen, nicht es uns. Und ja, wir sprechen mit Tieren und Pflanzen und auch sie haben ihre eigene Magie. Aber sie zaubern nicht im Sinne der Menschen und nicht für uns. Wir verstehen uns gut mit ihnen und sie helfen uns gelegentlich. Unsere Waffen sind sehr wohl zu sehen, aber sie sind anders als eure. Glasstahl ist sichtbar, aber wer ihn noch nie gesehen hat, weiß nicht, wonach er suchen soll. Die Gybal-Sham zogen es auf jeden Fall vor, den Angriff abzubrechen, noch bevor er richtig begonnen hatte. Die Weisen wollten uns auf dem Wasser angreifen. Sicherlich, die meisten von uns sind eher dem Land zugetan; aber es gibt keine besseren Seeleute als Klabauterfrauen und -männer. Und so war es uns ein Leichtes, den Weisen ihr Schiff zu nehmen.

Bald darauf ließen uns die Menschen wieder in Ruhe. Zudem war der Winter eingekehrt, den die Menschen haßten, weil sie mit den Jahreszeiten nicht zurechtkamen. Aber er sorgte dafür, daß ihr Kampfeswille ein klein wenig gedämpft wurde. Sador cyr Shar verließ uns wieder. Trotz des Winters wollte er weiterwandern. Wir wünschten ihm Glück und gaben ihm viele nützliche Dinge für die Wanderschaft mit: Warme Kleidung, einen neuen Rucksack, Kräuter und einige andere Sachen. Er ist ein guter Mensch. Gäbe es mehr wie ihn, wäre unsere Aufgabe leichter. Sador cyr Shar wird immer bei den Naturgeistern willkommen sein, auch in Oberonia.


Titania
(32 nach der Finsternis)

Zwei Jahre lang herrschte Frieden. Doch nur allzu schnell war er vorbei. Anstelle, daß die Menschen erkannt hätten, wie schön ein friedliches Miteinander ist, so machten sie nur dort weiter, wo sie zuletzt aufgehört hatten. Es schien, als wäre die Zeit des Friedens nur ein Spuk gewesen, ein kurzer Traum der Ruhe. Und wieder zogen es die Naturgeister vor, für sich zu bleiben. So bemerkten sie kaum, daß sich an der estlichen Grenze einiges getan hatte. Das seefahrende Volk der Wali hatte sich inzwischen dort angesiedelt. Sie blieben unbemerkt, weil es sie kaum zu interessieren schien, wer ihre weslichen Nachbarn waren. Im Gegensatz zu den Menschen, die Friedenszeiten hauptsächlich zur Vorbereitung neuer Kriege nutzen, schaffen die Naturgeister gerne etwas von Bestand. So bauten sie abermals eine Stadt. Es war an der Zeit, erneut den Sterblichen gegenüber zu treten. Viele der Naturgeister, die unter den Menschen gelebt hatten, wußten, daß es ihnen mißfiel mit anderen Völkern nicht in deren Hauptstadt zu verhandeln. Das sahen sie als eine Form der Herabsetzung an. Vielleicht war das einer der Gründe, warum so viele die Naturgeister nicht sehr schätzten; nach wie vor durfte niemand, der kein Naturgeist war, die Hauptstadt Oberonia auf der Geisterinsel betreten. Nur Elbenkönig Oberon selbst konnte bestimmen, ob es dennoch möglich war, und das war bis jetzt nur einmal vorgekommen.

Also bauten die Naturgeister eine zweite Hauptstadt. Hier wollten die sie zusammen mit Menschen und anderen Wesen leben. Diese Stadt sollte allen Völkern offen stehen. Allerdings mußten diese sich zumindest an das Stadtrecht der Naturgeister halten. Die wichtigsten Regeln findet man deshalb in einer großen Stele auf dem Marktplatz eingraviert Titania wurde die Stadt genannt, nach der Feenkönigin, die viele Naturgeister als Gemahlin Oberons ansehen. Aber für gewöhnlich geht sie ihre eigenen Wege.

Außerdem wurde Rotarbiv an das Reich des Feuers übergeben. Ein weiterer Grund für die Feen eine neue Stadt zu bauen. Für viele Naturgeister war es eine furchtbare Vorstellung, daß diese wunderbare Stadt, geschaffen aus Licht und Leichtigkeit den schweren Stiefeln der Legionäre zum Opfer fallen sollte. Aber Oberon hatte bereits entschieden. Und nicht einmal Finyen del Lian, eine Silberelfe, die sich im Kampf hervorgetan hatte und die Oberon nun bei der Heeresführung unterstützte, wagte es an den Worten zu zweifeln, die für die Naturgeister Gesetz sind. Noch immer tobte der Krieg. Die Söldner waren scheinbar gut entlohnt worden, vielleicht waren sie aber auch ebenso blutgierig wie die Menschen aus Gybal-Sham. So gaben sie den Kampf nicht auf. Und wie immer, wenn die Menschen nicht mehr weiterwissen, bieten ihnen gerne willfährige Diener der Dunkelheit ihre Hilfe an. Hier war es die böse Magie des Zauberers der Söldner, die den Greifen, der in unseren Landen lebt, in seiner Ruhe störte und ihn erzürnte. Wir Naturgeister haben Respekt vor ihm und lassen ihn in Ruhe, so wie er uns in Ruhe läßt. Die Sterblichen hingegen achten niemanden, nicht einmal ihre eigenen Leute. Der Greif hatte also recht, wenn er sich zur Wehr setzte, und gemäß den Gesetzen der Natur macht es für ihn keinen Unterschied, wen er angreift. So ertrugen wir seine Rache, anstelle der Söldner der Cehisar, die mittels Zauberei dafür gesorgt hatten, daß er sich nur uns zuwandte.

Und wo wir schon angeschlagen waren, so kamen ein weiteres Mal die Mächte der Finsternis, um uns anzugreifen. Ein alter Feind unserer Völker, der Schwarze Reiter, zog über das Land. Wie alle Diener der Dunkelheit haßt er die Naturgeister und ein Feigling ist er obendrein. Er greift stets diejenigen an, die schwächer sind und weidet sich an Grausamkeit und Tod. Immer ist er dort zu finden, wo Krieg und Not herrschen. Viele tapfere Naturgeister starben unter den Hufen seines Kriegsrosses.

Gleichzeitig gab es heftige Kämpfe zur See. Diese Schlacht konnten wir jedoch für uns entscheiden. Die Schiffe des Söldners wurden vernichtet. Auch dort erbebte das Land unter den Schreien seiner sterbenden Kinder. Für die Naturgeister ist auch eine gewonnene Schlacht kein Sieg. edes gewaltsam genommene Leben ist eines zuviel.

Und noch irnmer war der Greif erzürnt, er hörte nicht auf zu wüten. Schließlich mußten wir etwas dagegen unternehmen: Die Heiler versahen die Pfeile aller Bogenschützen mit einem betäubenden Kraut. Cuadan, dem Schlangenkrieger, gelang schließlich ein Treffer. So konnten wir den Greifen in einen langen Schlaf versetzen. Von einigen wenigen halbherzigen Angriffen der Söldner der Cehisar abgesehen, war es nun einigermaßen ruhig. Zu ruhig, wie Finyen del Lian und einige andere jüngere Naturgeister meinten. Sie sollten Recht behalten, zum einen, weil König Oberon höchstpersönlich den Befehl erteilte, die Fledermaus-Substanz von Mhjin zu unterstützen; zum anderen, weil eine große Flotte der Menschenvölker Caswallons und Longoten durch das Binnenmeer auf unsere nor-estlichen Küsten zusegelte und dieses das Volk der Walis unbeeindruckt ließ. Tatsächlich, in der Mitte des Winters, landeten sie an unserer Küste an. Es kam ohne Vorankündigung zu kriegerischen Handlungen. Die Menschen mußten viele Tode hinnehmen, da die Naturgeister den Verlust einer weiteren Stadt mit allen Mitteln verhindern wollten.

Unsere Bogenschützen sind bis heute bei diesen Menschen verhaßt und gefürchtet. Ein kurzer und heftiger Kampf tobte, der bei den Menschen der Blumenkrieg genannt wurde, wobei sie feststellen mußten, daß viele Pflanzen Dornen haben. So sah es denn schlecht für die Sterblichen aus, obwohl sie in der Überzahl waren. Also taten sie, was Sterbliche in dieser Lage zu tun pflegen - sie suchten sich Unterstützung, die ihnen das Volk der Wali bereitwillig zusicherte. Mit diesen Voraussetzungen machten sie uns ein Friedensangebot. Wir würden die Stadt abgeben und dafür würden sie uns fürderhin unterstützen. Um nicht weitere Leben zu verlieren, kamen wir der Aufforderung nach. Doch die neuen Besitzer von Leckedolk sollten kein Glück rnit dieser Stadt haben. Der Reiter der Finsternis, der Aasgeier der Kriege, kam, um zu weiden. Zweimal suchte er die Stadt Leckedolk heim. Beide Male verloren nicht nur Naturgeister ihr Leben, sondern auch Caswallonier und Longoten. Das war dem Reiter nicht genug, er haßte die Naturgeister, seine alten Feinde und suchte sie da zu treffen, wo es ihnen besonders wehtat, in Oberonia. Und weil wir wohl abgelenkt waren ob der vielen Kämpfe, so war auch Oberon unaufmerksam. Leichtfertig erlaubte er der Substanz von Mhjin im Zeichen der Spinne, die dem Bösen ebenso verfallen ist wie ihr Schwestervolk unter dem Banner der Fledermaus, auf der Insel der Tausend Beben zu siedeln.

Damit endete ein langer Winter in der Welt und in den Herzen der Naturgeister. Aber das Blutvergießen sollte noch kein Ende nehmen.


Eine neue Zeit
(Frühling und Sommer 33 nach der Finsternis)

Endlich war der Frühling gekommen. Aber das Fest war trauriger als jemals zuvor; es gab kaum einen Naturgeist, der nicht schon im Krieg gewesen war. Viele konnten überhaupt nicht an den Feierlichkeiten auf Dewhani Estrivel teilnehmen, Weil sie noch im Felde waren. Ein Krieg ist für die Kinder der Natur schon schlimm genug, aber deren Zweie, an zwei Fronten gleichzeitig? Das war fast unmöglich Widerwillig beugten wir uns schließlich den Sterblichen und überließen ihnen endgültig Leckedolk Wo waren eigentlich unsere sterblichen Verbündeten geblieben? Kein einziger kam, uns beizustehen; kein Legionär aus dem Reich des Feuers und kein errainnischer Krieger Es war vorauszusehen, wie viele ältere Naturgeister meinten, die schon mehr Erfahrung mit Sterblichen hatten. Wir sind ihnen gut genug, um gegen ihre Feinde zu kämpfen und unser Blut für ihre Gier noch Land zu opfern, aber nicht gut genug, daß sie unser Land auch beschützen würden. Das sei schon immer so gewesen, sagten die Alten und das würde sich auch nie ändern.

Nun gut, meinten dann die Naturgeister, allen voran die Silberelfe Finyen del Lian, die nun an Oberons Stelle die Heere der Kinder der Natur in die Schlacht führte; wenn die Sterblichen nicht bereit sind, dem Land zu dienen, dann sollen sie es auch nicht bekommen. Holen wir zurück, was unser ist! Möge es das einzige Mal in unserer Geschichte bleiben, daß unser Zorn derartig entfesselt wurde. Mögen niemals mehr solche Dinge geschehen wie zu der Zeit, da wir das Land befreiten, das zu schützen wir geschworen hatten. Mögen wir uns niemals mehr dazu herablassen müssen, uns die Kriegsführung der Sterblichen zu eigen zu machen. Es war uns nicht mehr möglich, in die Geisterwelt zu wechseln, denn das blutbefleckte Land war nicht mehr in der Lage, uns willkommen zu heißen. Und die Geisterwelt war in Aufruhr. So kämpften wir in der Welt der Sterblichen, mit ihren Gesetzen und sogar mit ihren Methoden: Wir schliffen unsere eigenen Städte. Beide, Rotarbiv und Nesuahnetne, wurden belagert zu Lande und zu Wasser; beschossen und geschändet durch unsere eigene Hand. Der Haß und die Wut, die Gesichter des Krieges hatten auch das Antlitz der Naturgeister verändert. Der Tod hatte reiche Ernte gehalten unter den Sterblichen. Schließlich befahl die Feldherrin, dem Ganzen ein Ende zu machen: Mittels Zauber wurde das Baumtor von Nesuahnetne geöffnet. Nie sah man größeren Schrecken auf Menschengesichtern, als an dem Tage, da das baumhohe und ebenso starke Tor der alten Elfenstadt geöffnet wurde. Federleicht und ohne Geräusche schwang es einfach auf. Unsere Städte sind voller Magie, auch die Anwesenheit noch so vieler Menschen wird daran nichts ändern können.

Die Errainer ergaben sich sofort und gelobten, in die Alte Welt zurückzufahren und nimmermehr unser Land zu betreten, wenn wir sie dann unbehelligt ziehen ließen. Das taten wir natürlich. Dieses Ende des Blutvergießens machte auch den Legionären Mut: Freiwillig öffneten sie die Tore von Rotarbiv. So verlor kein Sterblicher und kein Naturgeist mehr das Leben. Die Menschen aus dem Reich des Feuers verließen unsere Lande friedlich, aber sie hassen uns dennoch. Das bedauerten viele Naturgeister, am meisten Finyen del Lian, die vielen der Sterblichen aus den Reihen der Legion große Achtung entgegenbrachte, weil sie ehrenhaft kämpften und unnötige Grausamkeit vermieden. Nicht wie die Schlangenmenschen, die hinterlistig und verschlagen waren.

Wer das Feuer verehrt und in seinem Herzen so heiß und klar brennen ließ, der konnte nicht nur schlecht sein. Die Silberelfe hoffte sehr, diese Menschen einmal nicht mehr zu Feinden haben zu müssen.

Die Wunden des Landes heilten und mit ihnen auch die der Naturgeister. Die Städte wurden wieder aufgebaut, auch Leckedolk, daß den Kindern der Natur zurückgegeben wurde. Ihnen allen wurden neue Namen gegeben, um das Alte zu vergessen: Aus Rotarbiv wurde Caran, Weiße Stadt in der Sprache der Naturgeister, weil die Stadtmauern mit weißen Marmor überzogen wurden, auf daß nimmermehr rotes Blut der Sterblichen sie beflecke. Aus Nesuahnetne wurde Catanhar, Blühende Stadt in unserer Sprache, denn der Ehrwürdige, der älteste Baum der Stadt blühte das erste Mal, seit wir die Stadt errichtet hatten und mit ihm tausende und Abertausende von anderen Bäumen und Blumen dort.

Aus Leckedolk wurde Riyatan, Sommerblüte in unserer Sprache, denn als die Stadt eben wieder in neuem Glanz erstrahlte, war endlich der Sommer gekommen.

Der Sommer macht die Naturgeister tatendurstig und laßt sie manchmal sogar übermütig werden; ausgelassen und fröhlich ergehen sie sich in allerlei Vergnügungen. Die Menschen lieben den Sommer auch; er macht das Kriegführen einfacher und angenehmer. So war es kaum verwunderlich, daß der kurze Frieden, zu dem auch die Naturgeister ihren Teil beigetragen hatten hinfällig wurde. Der große Pakt, dem sich so viele Sterbliche angeschlossen hatten, wurde unter der heißen Sonne des Sommers auf dem Altar des Krieges geopfert Wieder einmal zogen die Naturgeister es vor, für sich zu bleiben. Zudem mußten sie sich auch um andere Dinge kümmern. Der Greif erwachte aus seinem langen Schlaf. Und noch immer war er zornig und aus Rache tötete er einige Naturgeister. Jedoch ist es für uns völlig verständlich, auf diese natürliche Weise Leben zu verlieren, aber ein gewolltes Morden wird uns für immer abartig und unnatürlich erscheinen.

Der Sommer kam und ging, das Land wuchs und gedieh und der Herbst sollte reiche Ernte bringen. Im Spätsommer schickten sich erneut einige Sterbliche Völker an, die estliche Welt zu bereisen.

Der Löwe von Wolsan war wieder einmal gekommen. Kaum ein anderes Volk der Sterblichen ist so lange auf Magira gewesen wie die Wolsi. Und kaum ein anderes ist so mutig, sich auf die Suche nach einer neuen Welt zu machen. Gerade auf der Westlichen Welt angekommen, drehten sie auch schon wieder ab, um in die Estliche Welt zu segeln. Scheinbar hatten die ewigen Stürme nachgelassen, dennoch war der Weg selbst für erfahrene Seeleute gefährlich. Besser noch als die Wolsi waren da die Menschen aus dem Volk der Goldenen Herde geeignet, man sagte ihnen nach, meisterhafte Seeleute zu sein. Die Naturgeister hatten Gelegenheit, sie zu beobachten, da sie auf ihrem Weg genau an unseren Gestaden vorbeisegelten. Zwischen unseren beiden Völkern herrscht keinerlei Feindschaft, wir wünschen den Menschen der Goldenen Herde nur das Beste und Glück auf dieser Reise.


Blutige Ernte
(Herbst und Winter 33 nach der Finsternis)

Der Sommer war vorbei. Ein guter Herbst steht uns bevor, so glaubten die Naturgeister. Es wurde ein großes Fest gefeiert, denn endlich erstrahlte Oberonia in neuem Glanz. Die Naturgeister hatten die Stadt wieder aufgebaut, schöner als je zuvor. Nicht einmal eine Unebenheit war geblieben, nichts deutete mehr darauf hin, daß der Reiter der Finsternis sie grausam geschleift hatte. Alle Naturgeister waren eingeladen und sogar einige Sterbliche, die inzwischen unsere Freunde geworden waren und für die wir beim Betreten der Stadt eine Ausnahme machten. Nun würde unser Tun des Friedens Früchte tragen.

Weit gefehlt, denn den Dunklen Mächten mißfiel dies außerordentlich. Ein schwaches Reich der Naturgeister war ihnen ein Dorn in ihrem toten Auge; ein starkes unabhängiges Land aber unerträglich. Aber wie immer sind die Mächte der Finsternis feige. Wenn sie es einrichten können, so greifen sie einen Gegner nicht selbst an; wollen sie eine Stadt erobern, so ziehen sie eine Übermacht vor, um ja nicht in Gefahr zu laufen, zu verlieren. Von langer Hand vorbereitet in der Tiefe der Sümpfe, umso überraschender für die Naturgeister. Es war Mhjintrak Morguun ein leichtes, den Haß des Steinvolkes auf die Naturgeister auf's Neue zu schüren. Seit Anbeginn unserer Nachbarschaft ist ihnen unsere Lebensweise zuwider. Viel zu oft schon mußten wir Truppen an die Grenze entsenden, um die Sklavenjäger aufzuhalten. Das Steinvolk erklärte uns den Krieg, ohne Begründung; ja, den Naturgeistern wurde nicht einmal Gelegenheit gegeben, sich zu erklären. Das Volk von Gybal-Sham im Rausch des Hasses; sein Heerführer, Horran, in seiner Eitelkeit verstrickt. Mehr braucht es nicht, um das Verderben im Namen des Mhjintrak zu bringen. Ja, den Sterblichen war nicht einmal bewußt, wessen Handlanger des Todes sie waren. Wie alle Menschen waren sie nur blutgierig und rachsüchtig.

Die Diener der Fledermaus griffen großzügig selbst auch in den Karnpf ein. Viele Truppen waren ja nicht im Süd und die Verluste würden sich in Grenzen halten; aber ihr Verbündeter fühlte sich geschrneichelt. Das dunkle Schwestervolk der Fledermaus, die Menschen im Zeichen der Spinne, unterstützten diese natürlich sofort. Der Heerführer der Spinne ist ein willfähriger Diener des Mhjintrak Morguun ohne eigenen Willen. Es gab so viele Gemeinsamkeiten zwischen dem Lande Wu-shalin der Fledermaus und dem Lande Shub-Nigurath des Spinnenvolkes, daß die Naturgeister sie längst als das eine Reich ansahen, das sie waren. Viele Sterbliche waren auch dieser Meinung, aber entweder trauten sie sich nicht, den dunklen Menschen dieser Lande zu widersprechen oder sie ließen sich bereitwillig täuschen, weil das Leben so für sie einfacher war.

Dies war nur der erste Teil des gut durchdachten Plans der Mächte der Finsternis. Schließlich waren in den langen Jahren, in denen die Naturgeister nun schon auf der Westlichen Welt lebten, Freundschaften mit sterblichen Völkern entstanden. Gegenseitiges Vertrauen und Hilfe in Notzeiten hatte die Kinder der Menschen und die Kinder der Natur zusammengebracht. Und natürlich hatten sie einander zugesichert, auch in Kriegszeiten zueinander zu stehen. Das mußte der Mhjintrak unbedingt verhindern.

Da er ja kaum Kräfte in den Krieg mit den Naturgeistern einbringen mußte, schließlich hatte er seine menschlichen Diener, konnte er frei über seine Armeen verfügen. Auch hier zeigte sich wieder einmal die Feigheit derjenigen, die der Dunkelheit anheim gefallen sind. Es ist kein Geheimnis in der Westlichen Welt gewesen, daß sich die Naturgeister, das Volk der Wali und die Menschen aus Caswallon zusammengetan hatten, um das Reich der Longoten zu schützen, die führerlos waren. Niemand wußte, warum die Obersten der Longoten gegangen waren und ihr Volk im Stich ließen. Es war den dreien dann aber auch gleich, Hauptsache war, daß den Menschen in diesem Lande kein Leid geschah. Dafür wollten sie gemeinsam sorgen. Was für ein schöner wunder Punkt!

Es war ein Leichtes für die Substanz, einen Krieg zu beginnen. Schließlich waren viele Soldaten der drei Verbündeten mit anderen Aufgaben im Lande der Longoten beschäftigt, als damit, die Grenzen zu sichern. Die unzufriedenen Menschen hatten bereits mit dem Kampf in den eigenen Reihen begonnen. Von da ab war es nur mehr eine Kleinigkeit, den Haß auf ein anderes Volk zu richten, in diesem Falle Caswallon. Viele Naturgeister sind sich bis heute nicht sicher, ob da nicht doch jemand fremdes seine Hand im Spiel hatte. Es wurde also bereits gekämpft und Weddewarden, eine Stadt weit oben im Nor lag ungeschützt - ein lohnendes und leichtes Ziel. Der Bündnisfall des Norpaktes war also gleichzeitig an zwei Stellen eingetreten. Nicht mehr als dieses hatte Mhjintrak Morguun beabsichtigt. Die Kräfte der Naturgeister gebunden, die Menschen aus Waligoi und Caswallon mit dem Schutz der longotischen Bevölkerung beschäftigt und Weddewarden als leichte Beute, an der eine Übermacht an Substanzkriegern ihr grausames Spiel treiben konnte.

Die Freunde des Norpaktes taten zusammen mit der longotischen Bevölkerung, was sie konnten, aber es war nur eine Frage der Zeit, wann das Longotenreich zugrunde gänge. Das Volk der Qun, lange heimatlos gewesen, würde sich nun hauptsächlich des Landes bemächtigen, auch dies ganz im Sinne der Substanz von Mhjin die niemals etwas ohne Gegenleistung tat. Auch die Qun werden dafür irgendwann einen sehr hohen Preis zahlen.
Im Lande der Naturgeister war die Lage inzwischen unerträglich geworden. Der Kampf war unabdingbar, das wußten die Naturgeister sehr wohl und sie fügten sich in ihr Schicksal. Aber der Haß der Menschen aus Gybal-Sham, angestachelt und genährt durch das stetige Flüstern aus den Sümpfen erschütterte die Welt und die Geisterwelt gleichermaßen. Dies war mehr, als die Naturgeister in vielen anderen Kämpfen erdulden mußten und ihre Kräfte schwanden zusehends. In vielen erwachte aber auch der Zorn. Zorn, Wut und Haß können für Naturgeister, vor allem aber für Menschen in ihrer Nähe sehr gefährlich werden. Der Aufruhr in den Seelen ihrer Kinder weckt, wenn er stark genug ist, immer den Zorn der Natur selbst. Das Land selbst greift dann mit seinen Waffen an: Stürme, Erdbeben, Vulkanausbrüche, Fluten und was immer ihm an natürlichen Gegebenheiten zur Verfügung steht wird stets die Folge sein; so auch hier. Überall erhoben sich Stürme, die allen gleichermaßen den Tod brachten, so als wollten sie den Menschen und auch den Naturgeistern zeigten, daß sie alle im Vergleich zu Wind und Wolken nur Staubkörner waren im ewigen Spiel der Gezeiten des Lebens. Wir Naturgeister wußten sehr wohl um diese Dinge und nahmen es hin.

Die Menschen aber waren außer sich vor Wut und fluchten ihre Götter, daß sie es wagen konnten, ihnen das anzutun. Die dunklen Vertreter der Substanz von Mhjin jedoch brachten ihren Göttern Opfer dar und taten alles, um das Ausmaß der Zerstörung zu vergrößern, ungeachtet eigener Verluste. So kam es, das die hellen und die dunklen Seelen des Landes miteinander rangen. Auf allen Seiten waren die Verluste furchtbar. Viele Menschen aus dem Spinnenreich verloren ihr Leben, sie waren unschuldig, nur verführt von den Mächten der Dunkelheit, in einen Krieg getrieben, der nicht ihrer war. Titania, die stolze Stadt der Feen am Binnenmeer wurde geschleift; zweimal zeigten die MeisterInnen der Stürme ihr schrecklichstes Antlitz. Das Übrige wurde von den Menschen aus Gybal-Sham zerstört, aus dem einen Grund, daß sie die Schönheit dieser Stadt nicht ertragen konnten. In dieser Zeit, da das Land tobte, hätten wir es besser wissen müssen. Die Magie ist ein Teil von uns, sind wir in Aufruhr, so ist sie ebenso wild und ungezügelt. Trotzdem glaubten wir, sie beherrschen zu können. Weit gefehlt; der Zauber, den wir gegen die Schwarzmagier des Steinvolkes wirkten war so stark und gleichzeitig ungerichtet ob unseres Zornes, daß das Land sich ein weiteres Mal erhob. Die Verluste in unseren eigenen Reihen waren größer als bei den Menschen des Steinvolkes und ihr Magier konnte die Gelegenheit nutzen, sich in den Scharen der Sterblichen zu verbergen, die aus jenem Gebiet flohen.

Der Winter kam, aber der Krieg ging mit unverminderter Härte weiter. Schließlich gab es nur noch eine Möglichkeit, weiteres Blutvergießen zu verhindern, dem Sterben ein Ende zu machen. Als der letzte Naturgeist Foodtsiwollof verlassen hatte, um in der Geisterwelt Zuflucht zu suchen, fügte sich Finyen del Lian den Worten des Mhjintraks. Die Stadt würde von nun an Gybal-Sham gehören. Der Heerführer des Steinvolkes, Horran, und die Feldherrin der Naturgeister trafen sich in Foodtsiwollof. Der Mensch war sehr verwundert darüber, daß niemand mehr in der Stadt war. Die anwesenden Naturgeister, allen voran die Silberelfe, lächelten spöttisch, wußten sie sehr wohl, daß die EinwohnerInnen von Foodtsiwollof jedes Wort in der Geisterwelt hören konnten, das sie hier sagten. Für immer würden sich die Menschen aus Gybal-Sham, aber auch die Naturgeister an die Worte von Finyen del Lian erinnern, die sie an jenem Tage zu Horran sprach. Die Naturgeister würden freiwillig zurückkommen und ihre Stadt mit den Menschen des Steinvolkes teilen, aber würde auch nur einem von ihnen ein Leid zugefügt, so würden sie die Menschen des Steinvolkes für alle Zeiten jagen und sie, Finyen del Lian, würde Horran jagen und es gäbe keinen Ort auf ganz Magira, an dem er sich verstecken könnte. Die Menschen aus Gybal-Sham, des Krieges müde, aber hatten keine solchen Absichten und die Naturgeister wünschten sehnsüchtig den Frieden. Finyen del Lian und Horran vereinbarten, daß die Menschen aus Gybal-Sham mit einem großen Festmahl in der Stadt begrüßt werden sollten. Dafür aber durfte drei Nächte lang kein Sterblicher die Stadt betreten. So blieb es vor den Augen der Menschen verborgen, als die Tore zur Geisterwelt sich öffneten und die Naturgeister zurückkehrten.

Gemeinsam schließlich feierten Naturgeister und die Menschen aus Gybal-Sham das Ende dieses schrecklichen Krieges. Die dunklen Mächte schließlich zogen sich zurück. Niemand weiß, ob ihnen gefiel, was hier geschah, aber sie ließen die Menschen aus Gybal-Sham in Ruhe, ihr Haß verging langsam. Die Abgesandten aus den Reichen Wu-Shalin und Shub-Niggurath würden den Süd verlassen und in die Sümpfe zurückkehren. Die Stadt Caran auf der Insel der Tausend Beben aber sollte nur mehr kurzzeitig im Besitz der Naturgeister bleiben, nur solange, bis alles Bösartige getilgt worden war. Dann würde sie den Menschen aus Tir Thuatha eine neue Heimat bieten, die in der Westlichen Welt bleiben wollten. So waren diese Menschen frohen Mutes, denn der Frühling sollte bald kommen und bis dahin würde die Stadt gereinigt sein. Die Stadt war sogar schneller gereinigt, aber es wurde nicht wärmer. Denn das Land war erschöpft ob der Grausamkeiten, die die Menschen und auch die Naturgeister begangen hatten und der Frühling würde vorerst nicht kommen. Die Sterblichen waren der Kälte viel mehr ausgeliefert, als die Naturgeister, insbesondere die Menschen aus Gybal-Sham, die in der Hitze der Wüsten zuhause waren. Das rührte die Herzen der Naturgeister sehr, und sie halfen ihnen in der, für sie so fremden Kälte zu überleben. Die Menschen halfen den Naturgeistern gleichermaßen, vielleicht ohne es zu wissen. Ihre Anteilnahme an den Geschehnissen der Natur wuchs zusehends und ihr Haß auf die Unbillen der Witterung und der Kälte schwand in gleichem Maße. Eines Tages würden die Naturgeister und die Menschen friedlich zusammensein.

Daran glauben wir.

Das leben wir.

Dafür sterben wir.

Aufgezeichnet zum Gedenken der Toten und zur Mahnung der Lebenden.


Finyen del Lian, Feldherrin der Naturgeister

Finyen del Lian
1999