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Aufbruch in die estliche Welt

In diesen Tagen herrschte ungewohnt hektisches Treiben in den Straßen und auf den Alleen Titanias. Viele fremde Völker waren mit Billigung der Naturgeister ins Land gekommen. Und obwohl sich jedermann an den von Königin Finyen verfügten Frieden hielt, war der Konflikt zwischen den verschiedenen Parteien wie zum Beispiel zwischen den Gästen von den Stämmen der Toku und dem benachbarten Steinvolk, ständig präsent. Gesandte vieler Völker gingen in der Zitadelle Titanias ein und aus. Königin Finyen, die Handelsmeister, sowie auch andere Würdenträger der Naturgeister wurden ständig von ihnen belagert und bedrängt. Das Intrigenspiel vieler menschlicher Herrscherhöfe hatte in Titania Einzug gehalten. Man erging sich in höfischem Geplänkel, schwammig formulierten Versprechen und subtil ausgesprochener Warnungen. Der bevorstehende Krieg warf seine unheiligen Schatten über das Reich der Naturgeister und niemand konnte sich der damit einhergehenden Beklemmung entziehen.

Wenn nur diese Schmerzen nicht wären. Ich kann kaum gehen und doch muß ich täglich meine Krieger zur Raison rufen, zur Geduld mahnen, Geduld einbläuen. Ihr Tag wird schon noch kommen und manch ein Ruderer wird sich wünschen, sein Maul gehalten zu haben. Dieser Tag entschädigt mich für die Unerträglichkeit der allgegenwärtigen Speichellecker in Titania. Der Nächste der mir heute schweifwärts kommt, den werde ich mir zur Brust - nein nicht zur Brust, diese verdammten Schmerzen - egal, zu irgendwas nehmen. Und zu allem Ungemach gesellen sich noch diese aufregenden Audienzen bei Finyen.

"Nein, Herr Botschafter", wiederholte die Königin mit mühsam erzwungener Ruhe, "auch unsere Nachbarn vom Volke Gybal Shams haben sich an den verfügten Frieden zu halten. Und genauso wie ich es sagte, so meine ich es auch.

Ich werde meinem Namen gerecht. Ich beherrsche mich, habe mich wirklich, ganz sicher, ruhig bleiben, im Zügel. Noch ein Wort von dem Steinchen und er endet als Streusand in Waligoi. Nein Ehlo, es ist alles prima, Du bist die Ruhe in Person, hommmm.

Finyen erhob sich im großen, prunkvoll geschmückten Audienzsaal der Zitadelle von ihrem Thron und rezitierte das Dekret mit lauter, klarer Stimme.

"Niemandem, der im Reiche der Naturgeister weilt und sich somit den Gesetzen der Natur unterordnet, ist es erlaubt, jegliches andere Volk von unserem Land aus anzugreifen, zu schädigen oder gar zu töten. Eine solche Handlung wird als kriegersicher Akt gegen das Volk der Naturgeister angesehen und entsprechend beantwortet werden."

Ja, ja, ja. Und dann werden die Sonnenblümchen in Stellung gebracht und die pösen, pösen Pollen stellen Recht und Ordnung wieder her. Au San. Sogar Lachen schmerzt.

Nach einer kurzen Pause, die geeignet war, das Getuschel unter den Gästen und Gesandten abklingen zu lassen fuhr sie fort,

"Und es gibt keine versehentlichen Angriffe, Manöverschäden oder sonstige Ausflüchte, die ein solches Handeln rechtfertigen würden. Jeder Übergriff stellt eine Kriegserklärung gegen das Volk der Naturgeister dar."

Auch das noch. Sie kann Gedanken lesen. Werden heute Nacht wohl noch einmal unser Vorgehen überdenken müssen.
Schließlich lautete der Befehl des San "Keine Aggression gegen die Naturgeister", aber wen interessiert schon Gulbas Gewieher? Eine Provokation bringt uns heute noch keinen Vorteil. Unsere Tage kommen noch früh genug. Ganz schön trocken diese Audienz. Etwas zu trocken.


Etwas leiser im Ton fuhr sie mit Blick auf den sichtbar erschrockenen Gesandten des Steinvolks fort. "Ich hoffe, ich konnte das nun endgültig für alle Gesandten und Botschafter klären".

Der Gesandte, ein ca. 40 Jahre alter Karawanenführer mit viel Erfahrung im Umgang mit den Naturgeister verbeugte sich nun eilends vor der Königin. "Ich werde eure Worte an meine Herren überbringen".
Das sonnengegerbte Gesicht starr auf den mit bunten Mosaiken geschmückten Boden gerichtet wich er rückwärts gehend vom Thron zurück und verließ schließlich mit schnellen Schritten den Audienzsaal. Hierbei wurde er von einigen Toku still beobachtet. Doch entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit hatte ein kurzer Hinweis auf das Gastrecht genügt, diese stolzen und wilden Krieger von Übergriffen abzuhalten. Seltsamerweise erschienen sie, je näher der bevorstehende Krieg rückte, immer ruhiger und disziplinierter zu werden. "Ein eigenartiges Volk", dachte Finyen bei sich, ehe sie sich, mit stoischer Ruhe dem nächsten Gesandten, einer Frau vom Volke der Wandler, widmete.

Sieh an, sieh an. Endlich kein pomadiger Akirawurst. Die Stadtbewohner des Steinvolks mögen, wie alle auf den Welten Magiras, Weichlinge sein, aber die Männer der Wüste sind aus anderem Stein gemeißelt. Wir werden Sie beschäftigen während wir die Städte niederwerfen.

Vanyar hingegen blieb von derlei Staatsräson weitestgehend verschont. Er hielt sich zumeist in den Hallen der Heiler und Druiden auf, um wieder zu Kräften zu kommen. Zudem hielt er es für seine Pflicht, die beiden Botschafter von den Stämmen der Toku, Ehlo und Kirtara, selbst zu versorgen. Schließlich war es seiner Idee zu verdanken gewesen, dass die beiden Krieger zu Schaden gekommen waren. Und während Kirtara ihre Verletzungen, einige gebrochene Rippen, schon fast komplett ausgeheilt hatte und nur noch mit Mühe an Ort und Stelle gehalten werden konnte, lag Ehlo immer noch meist schweigend auf seiner Pritsche.

Unbegreiflich! Die riesige Axt des Dämonen, oder was immer es auch war, brachte mir diesen daumenbreiten Aalstrich quer über die Brust bei. Ich war längst unterwegs zu Balyod um Khan t´E zu bechern, aber dieser Vanyar trat in meinen Weg und bescherte mir weitere Tage auf Magira. Meine Brust muß hufbreit aufgeklafft sein, mein Herz war zerrissen. Muß Aye´talso tar Euo um Rat bitten, sie sieht die Zeit seit Anbeginn, sie kennt alle Wege, sie weis.

Die körperlichen Verletzungen des Kriegers, ein faustgroßes Loch in der Brust, war zwischenzeit- lich komplett abgeheilt. Lediglich ein haarloser Strich auf der sonst behaarten Brust des Mannes zeugte noch von der vormals so schweren Verletzung. Ehlo aber hatte sich verändert, war in sich gekehrt und grübelte oft stundenlang über sein Schicksal nach. Wenn Vanyar nach ihm sah oder die noch frische Narbe kontrollierte beobachtete der Mensch den Elfen nur stumm, während dieser seiner Arbeit nachging. Nur selten wechselten sie ein Wort und nie sprachen sie über die gemeinsamen Erlebnisse oder die schlimmen Folgen, die daraus resultierten.

Vanyar. Was ist er? Allemal ein Lichtblick in all dem Gesäusel. Aber da ist mehr. Eine geheimnisvolle Aura umgibt ihn. Ich kann in ihn sehen, kann mich selbst durch ihn sehen. Was geht hier vor?

Auf Vanyar lastete diese von ihm angenommene Schuld schwer, aber jeder Versuch, sich bei Ehlo oder Kirtara zu entschuldigen und Sühne anzubieten, war vergebens. Es war, als wollten die beiden Toku nicht an das denken, was sie durchmachen mussten. Er bekam als Antwort lediglich Floskeln wie "Krieg ist Krieg" oder "ein Krieger braucht keine Vergebung" zu hören.

Ein merkwürdiges Volk. Er möchte sich dafür entschuldigen, daß er uns die öde Zeit in Titania versüßen wollte. Ihn trifft keine Schuld an dem Malheur, es war einzig meine Unaufmerksamkeit. Schließlich war es eine Schlacht und kein Kuscheln im Haus der Freuden.

Der Waldelf erholte sich nur langsam von der Heilung des tokalischen Botschafters. Und auch wenn Vanyar keinerlei äußerliche Verletzungen aufwies, fühlte er sich doch noch oft krank und schwach. Dann, wenn er ruhen mußte, pflegte er seine eigenen Lebensfäden zu beobachten und sah so, wie langsam sich der Platz in seiner Brust, dem er ein Stück seines eigenen Lebens entrissen hatte, wieder füllte. Dem gegenüber standen die Lebensströme Ehlos. Sie hatten sichtbar an Kraft gewonnen und nur zu deutlich war der Teil zu erkennen, der ihm von Vanyar geschenkt worden war.

Der Elf sprach auch häufig mit anderen Heilkundigen über das Erlebte und schrieb in einem eigens von Younani mitgebrachten Buch alles auf, was ihm im Zusammenhang mit dem Seelenschmieden auffiel. Hierbei widmete er seinem Freund und Lehrmeister Immerschimmer ein ganzes Kapitel. Der Tod des Gefährten hatte Vanyar tief bewegt und die hier gewonnenen Erfahrungen, insbesondere über die Grenzen dieser Kunst und die damit einhergehenden Gefahren waren dem Elfen eine Herzensangelegenheit.

So gingen die Wochen und Monate ins Land. Kirtara hatte das Krankenlager längst verlassen und hatte sich den tokalischen Verbänden im Tieflandstreifen angeschlossen. Der Abschied von Ehlo war eher nüchtern, wenn auch nicht so sarkastisch ausgefallen, wie Vanyar dies vielleicht erwartet hatte. Trotzdem hatte Kirtaras Weggang bewirkt, dass Ehlo wieder etwas aktiver wurde. Er gab seine Teilnahmslosigkeit am eigenen Leben auf und begann in den Gärten des Hospizes zu trainieren und erneut seinen Körper zu stählen. Hierbei fiel dem Waldelfen auf, dass sich der Krieger immer wieder unbewusst über seine Brust strich, als wolle er sich davon überzeugen, dass das die Verletzung nicht wieder aufbrechen konnte.

Ah. Endlich. Die schleppende Genesung findet ihr Ende. Der Speer liegt wieder prächtig in der Hand, das Schwert zieht pfeifend seine Bahnen und mancher Pfeil findet sirrend ins Zentrum der Scheibe. Aber immer wieder mahnend spüre ich das Pochen, das Ziehen in meiner Brust. Merkwürdig. Es scheint in Vanyars Gegenwart stärker zu werden. Ich finde nicht mehr zu meinem agierenden Inneren, zur Intuition im Kampf und doch breche ich manche Deckung, nur dieses Geheimnis breche ich nicht.

Der Elf schloss sich den Übungen des Kriegers an.

Es ist Zeit. Die Horden stehen unruhig. Das Steinvolk sehnt sich nach Unterwerfung. Auf in die Sättel. Reitet Toku.

Copyright © 2010 by Elo / Vanyar