Naturgeist

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Die Rettung

Sich-hel ein junger Sandläufer aus dem Stamm der Neru war gerade beim Essen, als er den Ruf hörte. Er hatte schon oft so mit der Steppe gesprochen, mit Tieren die verletzt um Hilfe baten oder andere Naturgeister die Probleme hatten. Doch dieser Ruf war anders. Er war kein einfacher Hilferuf nur ein Schrei von Schmerz, voller Leid und Trauer. Einem anderen Naturgeist wurde Gewalt angetan.

Sich-hel ließ alles liegen nahm seinen Bogen und lief los. Er spürte wohin ihn der Ruf zog, doch der kürzeste Weg dorthin führte ihn durch die Scherengraswiesen. Diese Pflanze mit ihren scharfen Blattkanten würden ihm die Kleidung zerfetzten und tief in die Haut schneiden, doch das war jetzt unwichtig. Eine kleine Schwester brauchte seine Hilfe. Er lief los. Die Angst um das zarte Leben ließen ihn immer schneller Laufen. Der Lauf des Windes der sonst mit der Geschmeidigkeit einer Antilope die Steppenelfen über das Gras trug war nun zum Lauf des Feuers geworden. Die Herden der Steppentiere, denen er sonst ausgewichen wäre, durchpflügte er wie die Sense das Korn. Die Lunge brannte wie das Feuer der Zwerge und die Beine wurden ihm schwer, doch die leise Stimme in seinem Inneren trieben ihn vorwärts. Etwas später sah er die Scherengraswiesen vor sich auftauchen, doch statt zu zögern lief er sogar noch schneller.
Die Stimme war leiser geworden und an stelle der Schmerzen waren Töne der Verzweiflung getreten. Er sah kaum eine Hoffnung und sang im Geiste das Lied des Friedens und des Neuanfangs. Jeder Windkobold im weiten Umkreis würden das Lied hören und kommen um die Seele eines Naturgeistes zu holen. Doch anstelle eines Wunsches um Frieden am Ende setzte er das brennende Verlangen nach Gerechtigkeit und die Wut um begangenes Unrecht. Weiter und weiter lief er. Das Scherengras tauchte vor ihm auf und er lief hindurch, ignorierte den brennenden Schmerz und dachte nur an die Schwester, die er kaum noch hören konnte. Längst war es Nacht geworden. Nach einiger Zeit sah er das sanfte Schimmern des Binnenmeres vor sich auftauchen. Doch er gab nicht auf und hoffte die Übeltäter noch am Strand fassen zu können. Längst konnte er das wütende fauchen der Windkobolde hinter sich hören.
Erst am Strand mußte er sich eingestehen, daß seine Anstrengung vergebens war. Das Schiff mit den Verbrechern verschwand gerade am Horizont. Am Strand stand noch ein weiterer Sandläufer und sah auf die See hinaus. Im Mondlicht konnte er Tränen in seinen Augen schimmern sehn. Dieser drehte sich um und sah auch ihn an. Langsam begann er zu sprechen doch Sich-hel hörte nicht hin. Er lauschte der Stimme wie sie leiser und leiser wurde und schließlich verstummte.

Lainam
1999