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Quellmännleins Heim
Eine Legende aus Dalan ido Lhur

"Was tust du denn da!?" ruft der Mann in die Dunkelheit. Einen Augenblick bleibt er stehen und versucht den kleinen Schemen zu erkennen, der auf dem Rand des Dorfbrunnens steht. Es ist ein Kind. Es nestelt hastig an seiner Hose herum und versucht gleichzeitig von Rand des Brunnens zu springen. Aber es hat die Rechnung ohne seine Beinkleider gemacht. Bei dem Versuch, einen Schritt zu machen verliert es das Gleichgewicht. Es ist nur dem schnellen Herzuspringen des Mannes zu verdanken, dass es nicht kopfüber in den Brunnen fällt. Der Junge, denn es ist ein kleiner Junge, wie der Mann jetzt sieht, zappelt heftig und bei jedem Strampler rutscht seinen Hose noch weiter hinab. Er trägt ein leichtes Hemd und eine ebensolche Hose, vermutlich sein Schlafgewand.

"Kannst Du mir wohl sagen", fragt der Mann grimmig, "was du mitten in der Nacht, bei klirrender Kälte und", der Mann macht eine Pause, "mit heruntergelassener Hose hier zu suchen hast?" Das Zappeln hat aufgehört. Der Junge gibt nur noch leises Zähnklappern von sich und sieht den Mann ängstlich an. "Na!? Sag schon!" Ungeduldig sieht der Mann sich um. Sein Blick fällt auf den Brunnen und eine kleine Pfütze, die auf dessen Rand schimmert. So ein Lausebengel! Er setzt das Kind auf den Boden, achtet aber darauf, dass er immer noch dessen Kleidung festhält. "Ich glaube," sagt er dann, "wir müssen uns mal unterhalten."

Kurze Zeit später fällt die Tür der Jägerhütte hinter den beiden zu. Der Mann hat den Jungen immer noch am Schlafittchen und schiebt ihn jetzt in Richtung eines Stuhles. "Ich bin wieder da!" sagt der Mann halblaut zu niemand bestimmten und im gleichen Moment flammt das Feuer im Kamin auf. Der Junge, der eben noch zur Tür schielte, um davonzulaufen, bleibt mit offenem Mund stehen. "Setz dich!" sagt der Mann in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet. Nachdem der Junge sich gesetzt und der Mann einige Zeit am Feuer und bei den Regalen hantiert hat stellt er zwei dampfende Schalen auf den Tisch, eine vor sich und eine vor den Jungen.

"So," sagt er, "ich bin Snorat, Jäger und Waldläufer. Sag' mir deinen Namen."

"Tieron." kommt es kleinlaut zurück.

"Gut, Tieron, und was hast du nun da draußen am Brunnen gemacht?" Der Mann nimmt einen tiefen Schluck aus der Schale und sieht den Jungen über den Rand hinweg an. Dieser schiebt trotzig das Kinn vor:

"Gar nichts."

"Hmmm," brummt der Mann "Gar nichts. Und deswegen hattest du auch deine Hose heruntergelassen, was?" Er schaut zu dem Jungen hinüber und legt die Stirn in grausige Falten. Verunsichert schaut der Junge weg.

"Ich habe gepinkelt." sagt er beiläufig.

"Soso." Mehr sagt der Mann nicht.

Der Junge sieht ihn wieder an. "Ich habe in den Brunnen gepinkelt, weil meine Schwestern dann morgen das Wasser trinken müssen!" Zorn blitzt in seinen Augen und der Trotz kehrt in seine Haltung zurück.

"Und der ganze Rest des Dorfes auch.'" fügt Snorat hinzu und nimmt einen weiteren Zug aus seiner Schale. Der Junge ist verdutzt. "Daran hast du nicht gedacht, was?" Tieron schüttelt langsam den Kopf. "Und was das Quellmännlein dazu sagt hat dich auch nicht interessiert!?"

Wieder macht der Junge ein verwundertes Gesicht. "Welches Quellmännlein?"

"Du weißt nicht, was ein Quellmännlein ist?" Snorat zieht erstaunt die Augenbrauen hoch. Dann muss ich dir wohl davon erzählen. Nimm dir eine Decke von dort drüben und schieb deinen Stuhl näher ans Feuer.

Und nachdem sich der kleine Tieron in eine Decke gehüllt und ans Feuer gesetzt hat beginnt Snorat, seine Geschichte zu erzählen.

"Vor vielen Generationen, als diese Land noch jung war und die Finsternis noch nicht ihre Klauen in unser Land gegraben hatte, war der Boden, auf dem wir jetzt leben noch fast unbewohnt. In der Steppe zogen nur die Kaninchenbüffel und jagten nur die Parden. Wenige Menschen, mit denen wir heute nichts mehr gemein haben, bewohnten kleine Dörfer und Siedlungen an den Wasserstellen der Steppe.

Aber das Land wurde mit Dunkelheit überzogen, wilde Horden verwüsteten es und rafften alles dahin, was bis zu dieser Zeit hier beheimatet war.

Und dann kamen sie. Niemand hat sie kommen sehen, denn es war kein Heer, das da dieses Land betrat, es waren seltsame Wesen auf der Suche nach einer Heimat, auf der Suche nach einem Ort des Friedens. Aber Frieden war in diesem Land nicht zu finden, nur Blut, Tod und Dunkelheit."

Snorat sieht zu dem Jungen auf. Die Augen des Kindes sind groß und rund, unstet blicken sie von dem Jäger und den Schatten im Raum hin und her. Die Decke hat Tieron fest um sich gezogen. Snorat sieht, dass er Angst hat.

"Aber diese Zeit ging vorbei", beeilt er sich zu sagen und lächelt beruhigend, "die Neuankömmlinge führten einen harten Kampf gegen die dunklen Mächte und trieben sie zurück. Nach langen, grausamen Jahren verging die Finsternis und die Heimatsuchenden blieben. Sie zerstreuten sich im Land und pflegten es gesund. Immer mehr kamen und fanden eine Heimstatt verborgen vor den Augen der Menschen.

Denn sie sind keine Menschen, sie sind die guten Geister der Natur.

Von diesen Geistern gibt es viele, die ganz verschieden sind. Sie leben überall, im Wald, in der Luft, in der Erde, ja sogar im Feuer und im Wasser. Es gibt Feen, die Quellen bewohnen und Elfen, die in den Meeren leben, wie die Fische. Und es gibt Kobolde in den Seen, Bächen und Flüssen. Viele von diesen leben dort, wo das Wasser an das Licht der Sonne tritt. Wir nennen sie Quellmännlein. Wie sie sich selbst nennen, haben nur wenige Sterbliche je erfahren. Eines dieser Quellmännlein hatte sich vor vielen Generationen an einer Quelle niedergelassen und bewachte sie. Es gab Acht, dass keine Blätter ihren Fluss verstopften und dass die Tiere immer klares Wasser trinken konnten. So lebte es, bis eines Tages Sterbliche in dieses Gebiet kamen. Sie bauten eine Mauer um die Quelle und befestigten den Bach, den sie auf ihre Felder leiteten.

Das Quellmännlein aber blieb. Es hielt es für seine Aufgabe, die Quelle zu schützen. Deshalb sorgte es auch dafür, dass die wilden Tiere weiterhin hier ihren Durst stillen konnten. Die Menschen aber hatten Angst vor den Tieren. Du hast die riesigen Kaninchenbüffel bisher nur auf Zeichnungen und aus der Ferne gesehen, aber glaube mir, käme einer davon in unser Dorf würde allein seine Größe uns alle in Angst und Schrecken versetzen. Und die Parden, geschmeidige Raubkatzen, ihr blitzendes Gebiss lässt jeden Waldläufer erblassen. Ich habe in den Ebenen schon Parden gesehen, deren Fell die Farbe des Himmels oder die des Feuers hatte. Wundervolle Dinge zeigt uns die Natur.

Die Menschen hatten also Angst vor den großen und fremden Tieren und verjagten sie. Natürlich töteten sie auch einige Tiere und bauten einen Wall um das Dorf, um sich vor den vermeintlichen Angriffen der Tiere zu schützen. Sie fertigten sich Waffen und gingen auf die Jagd nach den gefährlichen Tieren. Wenige Tage machten sie gute Jagd und brachten viel Beute ins Dorf.

Aber die Geister der Natur ließen einen solchen Frevel nicht zu. Bald kamen die Jäger ohne Beute und sehr verstört aus den Wäldern zurück. Sie erzählten, sie hätten Menschen getroffen, die größer waren als sie, viel schlanker und geschmeidiger. Spitze Ohren hätten sie gehabt und sich lautlos bewegt, wie Schatten. Diese Wesen hätten ihnen aber kein Leides getan, sondern nur verboten, Tiere zu jagen, sofern sie diese nicht als Nahrung benötigten. Außerdem sollten sie keine jungen Tiere töten oder solche, die Junge erwarteten. Und bevor sie lautlos zwischen Bäumen verschwanden sagten sie noch, sie würden das Dorf beobachten und ein Verstoß gegen die Gesetze der Natur nicht dulden.

Manche Menschen glauben, dass sie uns noch heute beobachten und ich kann sagen, dass es wahr ist. Ich habe sie schon in den Wäldern gesehen und ich bin sicher, es sind dieselben wie damals, denn diese Wächter altern nicht wie wir Menschen. Ich glaube sogar, sie leben ewig.

Aber ich schweife ab. Ich will weitererzählen.

Nun hatten die Menschen auch vor den Geistern Angst und viele gingen wieder fort. Zu dieser Zeit begann auch der Brunnen zu verstopfen und das Wasser wurde trüb und brackig, denn das Quellmännlein war gegangen, an dem Tag als die Menschen begannen, Tiere zu töten. Man glaubte, die Geister hätten das Dorf verflucht und würden eines Nachts kommen und alle Bewohner töten.

Als die Not zu groß geworden war wagte es doch ein Jäger, wieder den Wald zu betreten, um wenigstens ein wildes Schwein oder ein Waldpferd zu erlegen. Er gedachte der Worte, welche die Geister gesprochen hatten und wartete lange und ängstlich, bis ihm ein Tier begegnete, das dem entsprach, was die Wächter verlangt hatten. Es war ein wildes Schwein, das den Höhepunkt seines Lebens schon überschritten hatte. Er traf es genau, das Schwein fiel wo es stand zu Boden und der Jäger ging zu seiner Beute, um sie auszunehmen.

So etwas ist eine schwere Arbeit, besonders bei einem starken Eber, und der Jäger muss sehr angestrengt gewesen sein. Als er endlich von seiner Tätigkeit aufsah erschrak er bis ins Mark. In einiger Entfernung standen drei Wächter und sahen ihm zu. Der Jäger hielt inne und erwartete, dass sie ihn auf der Stelle töten würden, aber sie kamen auf ihn zu und halfen ihm, den Eber zu zerteilen und auch, ihn bis fast zum Dorf zu tragen.

Die Wächter schüttelten über die Befestigungen des Dorfes den Kopf und zum ersten Mal, seit der Jäger sie traf, hub einer an zu sprechen. In einer klaren, schattigen Stimme hat er gefragt, ob denn je ein Wesen versucht habe, das Dorf anzugreifen. Der Jäger musste nach einigem Nachdenken verwundert den Kopf schütteln. Da fragte der Wächter weiter, warum sie denn dann diese wehrhaften Befestigungen gebaut hätten. Der Jäger konnte darauf nicht antworten. Die Wächter aber hängten das Fleisch in einen Baum und verschwanden.

Als der Jäger ins Dorf kam wurde er freudig begrüßt und alle waren erleichtert, dass ihm die Geister nichts angetan hatten. Als er aber seine Geschichte erzählte wurden alle nachdenklich. An diesem Abend wurde lange diskutiert, was nun zu tun sei. Leider soll auch viel gestritten worden sein. Man kam schließlich zu dem Schluss, dass noch einmal jemand mit den Wächtern sprechen solle, um sie zu bitten, die Jagd doch wieder zu erlauben und den Brunnen zu entzaubern. Die Menschen suchten dafür ein junges Mädchen aus, weil sie hofften, dass ihr Anblick die Geister versöhnlich stimmen würde.

Am nächsten Tag ging das Mädchen in den Wald. Sie rief nach den Wächtern welche sich nicht lange suchen ließen. Aus den Schatten der Bäume traten sie hervor, als ob sie schon ewig dort gewartet hätten. Sie sprachen kein Wort und sahen das Mädchen erwartungsvoll an.

Nista, so war ihr Name, erklärte das Anliegen der Dorfbewohner, mit den Wächtern in Frieden leben zu wollen und trug ihre Bitte vor, die Jagd wieder freizugeben und den Fluch vom Brunnen zu nehmen.

Die Wächter sahen sich erstaunt an und unterhielten sich leise in einer fremden Sprache. Dann wandten sie sich wieder dem Mädchen zu. Sie wollten gerne Frieden halten mit den Menschen, sagten sie, aber da dies ihr Land sei, müssten sich die Menschen an die Regeln des Landes halten. Erleichtert stimmte Nista zu, denn sie war froh, keine Ablehnung zu erfahren.

Sie fragte dann, wie denn die Regeln lauteten. Die Wächter antworteten, dass sie in Einklang mit der Natur leben müssten und ob sie denn wisse, was das eigentlich bedeute. Nista schüttelte verunsichert den Kopf. Wohl wusste sie, wie man sich vernünftig und verantwortungsvoll in der Natur verhielt, aber sie war sich nicht sicher, ob diese Wesen dasselbe darunter verstanden.

Die Wächter hießen sie, sich zu setzen, gaben ihr einen kühlen Trunk und ließen sie folgendes auswendig lernen:


Die Gebote der Natur Zum Bedenken an alle, die bestrebt sind, in Harmonie und Eintracht im Reich der Naturgeister zu leben.

Die Gebote, wie sie uns von der Natur gegeben wurden leiten das Handeln und Tun eines jeden, der unseren Völkern angehörig ist; aufgeschrieben in Worten durch Elbenkönig Oberon; zum Gedenken all jenen, die ärmer sind im Herzen, Sinnen und Fühlen, da sie der Stimmen der Natur nicht lauschen können.

Unumstößlich und unverrückbar seien all die nachfolgenden Gebote für alle und jeden, ganz gleich ob in Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft, unabhängig von Rasse, Geschlecht, Einfluss und Macht, gegeben.

Geachtet sei das Leben in all seinen Formen, Schattierungen und Spielarten, dem Schutze wert und teuer. Darum darf es weder genommen werden ohne Not oder geopfert dem Eigennutz, noch geschändet an Körper, Seele und Geist.

Frei im Denken, Tun und Handeln ist alles Leben, solange es andere in ihren Rechten nicht beschneidet. Die Schätze der Natur sind allen gegeben, die da wandeln und leben auf Magira. Es ist eines jeden Recht, zu nehmen, was er zum Leben benötigt. Derlei Besitz ist geschätzt und darf nicht genommen werden. Besitz zu horten, zum Nachteil anderer oder der Natur, ist verwerflich.

Im Reiche der Naturgeister sollen alle, die da wandeln und wohnen, Frieden halten, unabhängig von Streit, Krieg oder Fehde jenseits der Grenzen.


Das sind die Gebote der Natur, wie sie waren sind und immer sein werden. Wer ihnen folgt, wird in der lebenden Kraft die in allen Dingen wohnt immer Hilfe und Trost finden und ihre Geschöpfe werden ihm wohlgesonnen sein.

Gelernt hatte Nista das Verslein schnell, der Sinn dieser Worte erschloss sich ihr jedoch erst viel später, als sie wieder zu Hause in ihrem Dorf war und alle darüber grübelten, was diese Gebote für ihr Leben bedeuteten. Manches würde schwieriger werden, erkannten sie, aber alle Angst, die sie bisher vor dem Land und seinen Bewohnern gehabt hatten war plötzlich unbegründet.

Noch in der selben Nacht hörte man es auf dem Dorfplatz plätschern und rieseln. Noch traute sich niemand aus dem Haus, zu unsicher waren sich die Menschen, dass alles Traum oder Betrug gewesen sei, was sie am Abend von Nista gehört hatten. Nur Nista selbst wagte es, vor die Tür zu gehen und schlich um die Häuser zum Dorfplatz. Was sie dort sah wird bis heute "Die leuchtende Nacht" genannt und als Freudenfest gefeiert.

Am Rande der Quelle stand ein Männlein, So wie du heute nacht, Tieron."

Snorat lächelt den Jungen verschmitzt an und Tieron schaut verlegen ins Feuer. "Die leuchtende Nacht" sagt er dann leise, in dieser Nacht bin ich geboren. "Nun", meint Snorat, und lächelt immer noch, "dann solltest du besonders auf die Geister der Natur achten und ihr Freund sein. Aber lass' mich erzählen, was in dieser Nacht nun geschah:

Auf dem Rande des Brunnens stand also dieses Männlein, mit Brunnenkresse und Seerosenblättern bekleidet. Aus dem Wasser stieg ein Leuchten auf und in diesem Licht konnte Nista die Tiere sehen. Alle Arten von Tieren waren da versammelt, himmelblaue Parden, mächtige, graue Kaninchenbüffel, Waldpferde, Wildschweine, Hasen und Mäuse, Raubvögel und Eichhörnchen. Mitten zwischen ihnen standen zwei der Wächter und es schien, als unterhielten sie sich mit den Tieren und dem Männlein. Alles geschah leise und still, nur das Schnauben der Büffel und Grunzen der Wildschweine war zu hören. Die Tiere tranken sich satt und eins nach dem anderen verschwanden sie wieder in der Nacht. Nista starrte wie gebannt auf diese Szene, du kannst dir vorstellen wie gespenstisch ihr das alles erschien."

Tieron nickt. Tatsächlich stellt er sich vor, wie riesig wohl ein solcher Kaninchenbüffel sein mochte, und wie er den Dorfplatz ausfüllen würde.

"Und", fährt Snorat nach einer Pause plötzlich so unvermittelt fort, dass Tieron zusammenzuckt, "auf einmal hörte Nista hinter sich eine Stimme. 'Alle sind sie gekommen.' sagte jemand und Nista erkannte am schattigen Klang, dass es sich um einen Wächter handeln musste. Sie drehte sich um und sah das Gesicht des Wächters im Widerschein der Quelle. Er schien nachdenklich und unentschlossen, so als ob er nicht wüsste, ob er sich freuen oder misstrauisch sein sollte. 'Sie werden wiederkommen.' hub er an zu sprechen. Jedes Mal, wenn der Vollmond diese eine Nacht erhellt werden sie kommen, um zu trinken; um zu zeigen, dass dies ihr Land ist.' Und mit einem Blick auf Nista fügte er hinzu: 'Ansonsten werden sie euch in Ruhe lassen. Wenn ihr sie auch in Ruhe lasst.' Dann wandte er sich zum Gehen. Das Mädchen wollte ihn aufhalten und rief ihn an 'Wächter ...'. Der große Mann drehte sich um. 'Ich bin kein Wächter', sagte er, 'Fidin Jolash ist einer.' und er wies auf einen der anderen beiden Männer die noch an der Quelle standen. 'Ich bin ein Waldelf,' und nach kurzer Pause, 'dabei wollen wir es belassen.' Danach sollen sie alle in der Dunkelheit verschwunden sein.

Nun, die leuchtende Nacht kehrt wieder und auch wenn für uns Ewigkeiten vergehen von der einen zu anderen so glaube ich, dass es für diese Wesen nicht länger als ein Tag oder eine Woche ist. Das Quellmännlein aber ist in unserem Dorf geblieben und bewacht immer noch die Quelle. Es zeigt sich selten und ich weiß nicht ob es einfach nicht mag oder so viel zu tun hat. Aber eines weiß ich sicher, nämlich, dass bisher kein wildes Tier unser Dorf angegriffen hat und dass die Quelle auch in schlechten Zeiten niemals versiegt ist. In der leuchtenden Nacht aber verbergen sich die Menschen in ihren Häusern und nur wenige trauen sich, nach draußen zu gehen. Und von denen hat nie einer was erzählt."

Der Junge schaut den Jäger groß an. Als kleines Bündel sitzt er mit angezogenen Beinen und fest um sich gezogener Decke in seinem Stuhl. Vorsichtig durchbricht er mit seinem Stimmchen die Stille, die nachdem Snorat geendet hatte in das Zimmer geschlichen war.

"Snorat", fragt er, "Wie heißt denn das Quellmännlein?" Der Jäger steht auf und legt Holz in das Feuer, "Pnutsch," sagt er über die Schulter hinweg und dann wird es wieder still.

Tieron sieht nicht, wie sich der Jäger zum Feuer hinunterbeugt und bemerkt auch nicht, dass man im Prasseln der Flammen fast ein paar Worte verstehen kann. Als Snorat sich umsieht ist der kleine Junge schon eingeschlafen. Der Jäger hüllt das Kind in seine Decke und trägt es hinaus, über den Dorfplatz nach Hause. Der erschrockenen Mutter sagt er, er habe den Kleinen beim Schlafwandeln aufgegriffen. Auf dem Rückweg zu seiner Hütte nickt er dem kleinen Männlein zu, das gerade seinen Kopf aus dem Brunnen steckt und legt sich dann in seiner Hütte schlafen. Das Feuer erlischt, aus dem Schornstein steigt ein dünner Rauchfaden, im Brunnen gluckst es.

Gnisseldrix
1998
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