Naturgeist

Credo
Clan
Völker
Land
Kultur
Geschichten
Lyrik
Rezepte
Cons
Galerie
Links
Neuigkeiten
Kontakt
Impressum
Home
Piriell ist verliebt
Es war Frühling. Wo man auch hinsah, jeder Fleck von Ker Od`thalan war über und über geschmückt mit Blüten und bunten Bändern und es war kaum zu unterscheiden wo die Stadt begann und wo die ebenso bunt erblühten Wiesen und Auen aufhörten. Jeder in Ker Od'thalan spürte den Frühling. Dieses Kribbeln im Bauch, Tatendurst und ... und dieses Knistern, dieses Knistern in der Luft, das ein jeder verspürt der im Frühling die Augen nicht verschließt, wie es die Menschen zutun pflegen und das unwiderstehlich den einen zum anderen zieht. So waren alle bester Laune, in der Stadt und es herrschte eine allgemeine Heiterkeit die jeden ansteckte.

Jeden bis auf Piriell.

Der saß auf einem Stein an einem Teich und ließ seine Beine ins Wasser baumeln. Er war ganz und gar nicht guter Laune.
Niemand interessierte sich für ihn. Im Winter hatten sie ihn noch alle beachtet, hatten über seine Streiche gelacht oder sich wenigstens geärgert doch jetzt ignorierten sie ihn, hatten allenfalls ein gütiges Lachen für ihn übrig. Wie sehr er doch gütiges Lächeln verabscheute. Selbst seine besten Freunde hatten keine Zeit mehr für ihn, Xandros hatte nichts anderes mehr im Kopf als Nymphen und war kaum mehr für etwas anderes zu interessieren und sei es noch so lustig, und T´lix faselte gar etwas von Gefährtin und Haselbüschen.

Piriell fand das Leben trist. Sollte das so weitergehen bis in den Sommer? Drei lange Monde? Und dann? Im Herbst? Womöglich würden sie dann Kinder kriegen! Und dann nur noch Augen für die lieben Kleinen haben und sich im Winter samt Anhang in warme Behausungen verziehen und nie, nie auch nur ihre Nasenspitze rausstrecken. Piriell sah Ker Od'thalan schon so gut wie ausgestorben und sich mutterseelenallein. Er grübelte gerade, was wohl zu unternehmen sei, um dieser Lage Herr zu werden. Vielleicht Pwyll fragen, ob man nicht eine zweite Stadt für all die Frauen und Kinder bauen sollte, oder, weniger drastisch, König Oberon zu bitten, den Frühling einfach abzuschaffen, als ein Bild auf der Wasseroberfläche erschien. Vielmehr ein Spiegelbild, es war das Spiegelbild einer Fee, wohlgemerkt Einer Fee. Sie stand auf einem Stein, vielleicht fünf Schritt (Feenschritt natürlich) von Piriell entfernt im Wasser gelegen., und schaute ihn neugierig aus ihren großen Augen an.
Sie hatte wunderschöne Augen, das fiel Piriell sofort auf.

Er beobachtete sie nun seinerseits und fragte sich, wer sie sei und was für eine Art Fee sie wohl sein mochte, denn er hatte weder sie, noch eine Fee die dieser glich, je gesehen. Ihre Größe stimmte, zwei Schritt etwa, und sie hatte Flügel, wenngleich diese ein wenig merkwürdig aussahen, fast wie leicht zerknautschte Blütenblätter. Auch ihr kurzes Haar glich, abgesehen von dem Blütenstaub der darin klebte, dem Haar anderer Feen, doch war ihre Haut anders als die der Feen die Piriell kannte ihre war leicht grünlich und von ebensolchen, zarten Äderchen durchzogen, vor allem aber schien die fremde Fee durchscheinend zu sein wie er es von Dryaden kannte. Nur für eine Dryade war sie viel zu klein.

"Möchtest du mitspielen?" fragte sie Piriell und hielt ihm einen großen Flugsamen entgegen.
Piriell, aus seinen Überlegungen gerissen, sprang sofort auf und stammelte verlegen "Aber, sicher!" "Fein!" rief sie mit einer glockenhellen Stimme und hüpfte ein klein wenig vor Freude. Sie entblätterte ihre Flügel, streckte sie und erhob sich dann in die Luft "Komm, flieg mit" "Ja." stammelte Piriell und schaute ihr erstaunt nach. Er fragte sich, was er mysteriöser fand an dieser Fremden, dass er nicht wusste, was für eine Art Fee sie sei, oder dass er zum ersten mal seit langem mit einem Mädchen spielen wollte.

Piriell spielte den ganzen Tag mit der fremden Fee, sie warfen sich den Flugsamen zu, spielten Fangen, beobachteten das Treiben in Ker Od'thalan, kurz sie amüsierten sich prächtig und als sie beide schließlich zu müde waren weiterzuspielen verabredeten sie, sich am nächsten Abend wieder am Teich zu treffen. Piriell freute sich auf dieses Treffen, denn er hatte lange keinen solchen Spaß mehr gehabt, und das, so fiel ihm auf obwohl die andere Fee ein Mädchen war.

Nichtsdestotrotz traf er sich jeden Abend mit ihr und sie tobten die ganze Nacht. Er zeigte auch die Stadt Ker Od'thalan, ihre verschiedenen Ebenen; die unter der Erde, in denen Zwerge ihre Stadt haben und die Gnome in verlassenen Stollen ihre Erdlöcher bewohn jene in den Bäumen, von Feen und Elfen bewohnt und natürlich die ebenerdig gelegenen, silbernen Bauten der Silberelfen, die stolzen Türme und die große Versammlungshalle. Airissia, so hieß die fremde Fee, die noch nie vorher so etwas gesehen hatte, fragte ganz ergriffen, weshalb denn ausgerechnet hier solch wunderschöne Bäume wuchsen, und Piriell antwortete ihr, ganz gebildeter Städter, dass dies die Bauwerke der Silberelfen seien und diese in den Türmen lebten.

Im Gegenzug zeigte Arinssia ihm ihre Lieblingsplätze, wunderschöne, mondbeschienene Haine, kristalldurchzogene Grotten an den Seen, ja sogar an den Rand des Feenwaldes nahm sie ihn mit. Hier war Piriell noch nie zuvor gewesen, aber er hatte schon viel von diesem Ort gehört, und jetzt wo er hier war, verspürte er selbst den Zauber der von diesem Ort ausging.

Airissia flog auf eine kleine Lichtung und landete direkt vor einem prächtigen Löwenmäulchen. "Hier ist mein Zuhause !" sagte sie. "Hier? Wo?" fragte Piriell und sah sich um. "Ich lebe in dieser Blume. In ihr drin!" meinte sie kichernd "Schau her." sagte sie, ergriff Piriells Hand und ging mit ihm in die Blume hinein.
Es war ein merkwürdiges Gefühl, wie das langsame Eintauchen in Wasser, aber dann fand er sich in einem großen fenster- und türlosen Raum wieder, der gemütlich eingerichtet war. Der Boden war mit den Fächern von Löwenzahnsamen bestreut, so dass er weich gepolstert war, die Wände waren mit Blütenstaub bemalt und von der Decke hing eine Hängematte.

"Dies ist mein Heim !" meinte sie während sie mit ausgestreckten Armen eine Pirouette drehte. "Und jetzt zeige ich dir den schönsten Ort, den ich kenne." Sie griff Piriells Hand und zog ihn abermals durch die Wand. Diesmal kam er direkt auf der Blüte wieder aus der Pflanze heraus und setzte sieh neben Airissia. Er musste ihr recht geben, dieser Ort war wundervoll, die Silhouette des Feenwaldes der von Tausenden von Lichtern durchzogen war zeichnete sich dunkel gegen dem sternenübersäten Himmel ab Die Lichter im Wald bewegten sich wie im Tanz. Sicher waren es Feen die ein Fest feierten. Natürlich, fiel es Piriell ein, es war Sommersonnenwende und überall würde heute gefeiert werden. Er wollte Airissia fragen, ob sie mit ihm dorthin fliegen wollte, als er bemerkte, dass sie ihren Kopf an seine Schulter gelegt und leise zu singen angefangen hatte. Jetzt würde er sie nicht fragen, er würde hier sitzen bleiben und mit Airissia das Zuschauen genießen.

Es ist ein wundervoller Morgen, dachte Piriell, einfach herrlich. Wer hätte gedacht, dass einfach Dasitzen und Nichtstun so schön sein konnte. Bisher war ihm das Verhasst gewesen, aber zu zweit machte das viel mehr Spaß, und dass sie sich an ihn gelehnt hatte, sie hatte ihn sogar geküsst.
So richtig!
Auf den Mund!
Ach, es war einfach herrlich, mit Airissia zusammen. Piriell stützte fast ab, als ihn die Erkenntnis wie ein Schlag traf: Er war verliebt! Er! Ausgerechnet! Aber es war ein wundervolles Gefühl, wie Schmetterlinge im Bauch.

In diesem Jahr sah man Piriell kaum noch in Jer Od´thalan. Jeden Abend flog er hinaus in Richtung des Pen'ra'ill und kehrte erst am nächsten Vormittag zurück. Aber es fiel jedem auf, dass er noch fröhlicher war als sonst. Bis er eines abends wieder am Teich saß und den Kopf traurig mit den Armen stützte. Hier traf ihn Pwyll und setzte sich neben ihn.

Es war Winter geworden und das von Raureif überzogene Gras knirschte beim Hinsetzen, so dass Piriell ihn bemerkte. Das Gesicht, das sich Pwyll zuwandte, war tränenüberströmt und aus den großen Augen war der Schalk verschwunden, sie wirkten stumpf und leer. Noch bevor Pwyll eine Frage stellen konnte fiel Piriells Kopf auf seine Schulter und er schluchzte, sie sei tot. "Deine kleine Freundin?" fragte Pwyll und bekam als Antwort ein schwaches Nicken. "Ich wollte zu ihr fliegen, aber die Blume war tot. Und ich hab sie gesucht, die ganze Nacht, aber sie ist weg, auch tot" sprudelte es aus Piriell heraus, bis ihm ein erneutes Schluchzen den Atem raubte. Pwyll nahm den kleineren Fee in den Arm und blieb lange bei ihm, um ihn zu trösten und ihm zuzuhören. Diesen Winter sah man Piriell keine Schneefeen bauen, niemanden mit Schneebällen bewerfen und auch sonst nichts tun. Er saß nur Tag für Tag an seinem Teich und trauerte. Auch als es wieder Frühling wurde und die Natur wieder erwachte saß er nur an seinem Teich. An dem Tag, an dem er sie vor einem Jahr getroffen hatte wurde es am schlimmsten Er erinnerte sich wieder und wieder an ihre erste Begegnung, als er zum ersten Mal ihr Bild im Wasser gesehen hatte, so wie er es jetzt wieder... sah. . . .

Piriell blickte überrascht nach oben, direkt in das Gesicht Airissias, die knapp vor ihm schwebte. "Du ..du ...a..aber!" stammelte Piriell bis es aus ihm heraus platzte "Ich dachte du wärest gestorben."

"Nein," meinte die Blütenfee, während sie Piriell in die Arme schloss "Meine Blume ist gestorben, wie in jedem Herbst, doch wie die Blume im Sommer neu erblüht, so kehre auch ich zurück."

Pwyll na Gal-Taure
1995