Naturgeist

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Ein kleiner Baum

Mitten auf einer Wiese im Herzen Titanias steckte ein Stab im Boden. Seine Rinde war glatt von den vielen Wegen, die er mit seinem Besitzer gegangen war. Das wäre eigentlich nichts besonderes. Selbst das die Rinde rot wie geronnenes Blut war und kaum jemand wußte um was für einen Baum es sich handelte war wirklich außergewöhnlich. Lediglich ein einzelnes kleines Blatt, das an seiner Spitze hing und frisch ausgetrieben war, war etwas noch nie dagewesenes. Zumindest in den Augen eines Steppenelfen, oder besser in denen von Niella. Sie war einer der wenigen Steppenelfen, die sich für länger in Titania aufhielt und empfand dies nun wirklich nicht als erstrebenswert. Immer standen irgendwelche Bäume, Häuser, Mauern oder Riesen im Weg. Zwar waren die Wiesen in Titania größer als in jeder anderen Stadt von der sie gehört hatte, aber mit der herrlichen Weite der Steppe konnten sie sich nicht messen.
Der Stab jedenfalls war eine willkommene Abwechslung. Sie konnte sich nicht erinnern das jemals ein Stab vom Blutbaum neu ausgetrieben hätte. Außerdem war der Ast von einem Baum der eigentlich gar nicht mehr Leben dürfte. Schließlich wußte sie das Rashijar da Sai, sein vormaliger Besitzer und letzter seiner Familie, heimgegangen war.
Das war so ungewöhnlich das sie sofort den großen Rat einberufen wollte. Dieser große Rat war ein Treffen der älteren und weisen der Steppenelfen und wurde nur zu ganz besonderen Anlässen einberufen. So kam es das an diesem Morgen eine Steppenelfe wie eine Naturgewalt durch Titania fegte junge Steppenelfen in alle Himmelsrichtungen schickte und sich dann mit einem zufriedenen Grinsen vor ihr Zelt zu setzen.
Es war einige Tage später als die ersten der Alten eintrafen. Jeder von ihnen untersuchte eingehend den Stab und baute danach sein Zelt in erfurchtsvoller Entfernung auf. Doch keiner von ihnen berührte ihn. Als erstes wurde eine Wache an den Stab gestellt die verhindern sollte das jemand aus Unachtsamkeit den Stab oder sein Blatt beschädigte.
Es liefen einfach zu viele Bahunis umher. Nach einigen Wochen war aus dem Stab ein kleiner Baum geworden und auch die letzten des Rates eingetroffen.
Auf einer Wiese auf der man sonst höchstens ein Zelt sehen konnte, war auf einmal kaum noch ein Platz frei. Nur in der Mitte gab es eine Fläche, die bis auf dieses Bäumchen völlig leer war. Nachdem der Rat das wichtigste erledigt hatte, dem gegenseitigen austauschen von Neuigkeiten, ging man nur wenige Tage später zum beraten über. Dann eines Morgens waren fast alle Zelte verschwunden. Es war allerdings immer ein Steppenelf in der Nähe des Bäumchens, um jeden Neugierigen zu beobachten. War es ein Naturgeist wurde er nur kurz angeschaut. Menschen allerdings hielt er sanft aber bestimmt auf Abstand. Ein etwas übermütiger Wali wurde sogar mit der Waffe bedroht, als er sich nicht aufhalten ließ. Der Wali war zwar etwas verwundert, zog aber dann von dannen. Die Naturgeister in der Nähe nahmen das allerdings nicht ganz so leicht. Als ein Kobold den Steppenelfen fragte, warum er das tue bekam er nur als Antwort "Seelenbaum". Für den Steppenelf schien das als Antwort voll auszureichen. Der Kobold wurde dadurch allerdings lediglich neugierig. Als erstes ging er zu den Waldelfen. Vielleicht hatten die ja schon was von diesem Baum gehört. Doch alle die er fragte zeigten nur Unwissenheit. Wenn der Kobold den Stab beschrieb erkannten manch Ältere das Holz des Blutbaums und wußten auch, daß es diese Bäume normalerweise nur in der Steppe gab. Sie wuchsen dort unter der Pflege der Steppenelfen, aber woher der Begriff Seelenbaum kam oder was der mit dem Stab zu tun hatte war ihnen unbekannt. In Titania hatte sich derweil Niella zu Finyen begeben um mit ihr zu reden. Auch sie hatte von der Sache mit dem Wali gehört und wollte die Sache erklären. Die beiden Frauen trafen sich in einem der vielen Parks, wofür Niella dankbar war. Sie fand in Finyen eine wesentlich angenehmere Gesprächspartnerin, als der Kapitän des Schiffs, zu dessen Mannschaft der Wali gehörte. Doch nach der Überlassung einiger Decken aus Chaktuhaar hatte der sich sichtbar beruhigt. Die Führerin der Naturgeister hörte ihr still zu, während Niella erklärte.
Der Stab stammt von einem Blutbaum. Dieser Blutbaum steht in einem Wald der Stimmen und gehörte Rashijar da Sai. In seinem Geäst hingen, in der Knotenschrift der Steppenelfen, das Leben jedes Mitglieds seiner Familie. Rashijar war ein weitgeachteter und leider mittlerweile heimgegangener Steppenelf. Er war der letzte seiner Familie gewesen und der Baum war kurz nach seinem Tod gestorben. Dieser Ast jedoch, der ein Geschenk des Baums an ihn war, begann wider zu leben. Es war einfach so, daß alle Steppenelfen, die man fragte, nicht wußten das so etwas geht oder wie man nun reagieren soll. Ein Umsetzen der Pflanze kam nicht in Frage, aber zu welcher Familie gehörte er. Wer konnte mit ihm sprechen, wem gehörten seine Geschenke?
Finyen war da genauso ratlos wie Niella, verstand aber die Handlungen der Steppenelfen. Für sie war es so, als schützten sie einen Teil ihrer selbst. Als erstes sorgte sie dafür, daß kein Nichtnaturgeist in seine Nähe konnte. Wie über Nacht veränderten sich Wege und Grünanlagen in Titania. Wer nun zu dem Baum wollte mußte sich schon sehr gut in Titania auskennen und außerdem ein Gespür für die Natur haben, das die wenigsten Menschen besaßen. Den anderen Naturgeistern wurde erklärt um was es sich bei diesem Baum handelt. Danach fand man immer wieder einzelne Naturgeister wieder, die sich den Baum ansehen wollten. Die Waldelfen stellten schnell fest, daß der Baum schneller wuchs, als irgendein anderer, den sie sonst kannten. Auch Finyen kam öfters um sich den Baum anzusehen. Eines Tages wurde sie zum Baum gerufen. Mit fast erfürchtigen Bewegungen zeigten die Steppenelfen auf eine einzelne Blüte, die noch geschlossen auf einem Ast saß. Als sich Finyen der Blüte näherte begann sich diese langsam zu öffnen. Wirkte sie von außen eher farblos, so war ihr Inneres voller Farben, nur hatte noch kein Wesen jemals eine solche Blüte gesehen. Die Außenseite wirkte nun da sie offen war wie aus gebleichtem Gras gewebt, mit einem seltsamen inneren Leuchten behaftet. Im Inneren war die Blüte dunkel fast schwarz um sich dann nach außen hin immer mehr aufzuhellen. Zuerst wechselte die Farbe leicht ins bräunliche um dann in ein kräftiges Grün überzugehen, Danach bleichte das Grün aus wurde fast farblos um in ein zartes Himmelblau zu schwenken. An den Spitzen schließlich waren ihre Blütenblätter so Gelb wie die Sonne. Dabei entströmte ihr ein Duft der von jedem der anwesenden anders beschrieben wurde. Meinten die einen den Duft der Erde wahrzunehmen rochen die andere Sommerblüten.
Nach einiger Zeit gingen die Anwesenden nachdenklich wieder weg. Nur Finyen und ein paar sehr alte Steppenelfen blieben etwas länger. Einer unter ihnen sah erst lange auf die Blüte, schien immer wieder nachdenklich zu schnuppern um dann seinen Blick zu Finyen wandern zu lassen. Schließlich ging ein Leuchten über sein Gesicht und leise vor sich hin pfeifend ging er zu dem letzten Zelt auf der Wiese, nahm sich etwas zu Essen und kaute genüßlich. Finyen war etwas verwirrt und wenn sie in die Gesichter der anderen Elfen sah, wirkten die kein bißchen klüger. Schließlich zuckten die mit den Schultern und setzten sich ebenfalls zum Essen. Finyen wurde ebenfalls eingeladen. Die mußte jedoch mit einem nicht sehr schwer zu deutenden Gesichtsausdruck ablehnen. Sie mußte heute noch einen Abgesandten treffen. Als sie das mit dem kurzen Kommentar Amtsgeschäfte bei den Anwesenden zu erklären versuchte, sahen die sich nur Stumm an, um dann mit den Schultern zu zucken und ihr ein paar Früchte einzupacken. Danach verabschiedete sich Finyen schon kauend von der Gruppe. Als sie am nächsten Morgen in der Nähe war stellte sie fest, daß die Alten immer noch Diskutierten, was zu machen sei.
Am Abend sah man dann dreizehn Steppenelfen durch das Baumtor laufen. Sie liefen so schnell sie ihre Füße tragen konnten und so mancher mußte schnell zur Seite springen um nicht angerempelt zu werden. Ein Mensch, der sich vorsichtig dem Baumtor näherte wurde von seinem plötzlichen öffnen und den hindurchlaufenden Elfen so überrascht das er noch minutenlang mit offenem Mund herumstand. Danach trat wieder Ruhe ein. Eine lange Zeit passierte nichts mehr. Lediglich die Wache am Baum blieb ununterbrochen bestehen. Es mag etwa einen Sonnenumlauf vergangen sein als seltsame Gruppen von Steppenelfen sich einfanden. Alle trugen ein kleines Gefäß indem ein kleines Pflänzlein wuchs. Die Anführer dieser Gruppen gehörten zu den ältesten der gesamten Steppenelfen. Manche von ihnen waren mit aus der Geisterwelt gekommen, andere hatten schon auf Erden gelebt, als es noch das Land der Menschen war. Am Ende waren dreizehn Gruppen eingetroffen. Die dreizehnte Gruppe trug als einzige kein Pflänzlein mit sich. Statt dessen trugen sie einen Beutel aus einem blauen Stoff gefüllt mit Erde. Jeder in Titania merkte, daß etwas besonderes vorging.

Sobald alle Gruppen angekommen waren, wurde die Wiese mit dem Baum, denn das war er mittlerweile, geräumt. Tagelang gingen die Elfen über die Wiese und tilgten jede Spur der Zelte und der vielen Besucher. Schon nach dem ersten Tag sah die Wiese aus als hätte noch nie ein Wesen, das schwerer wie eine Eidechse war, ihren Fuß darauf gesetzt. Doch damit waren die Alten noch nicht zufrieden. Als dann nach drei Tagen auch das zur Zufriedenheit erledigt war, vermassen ein paar eingeweihte Silberelfen die Wiese um dann an 12 Stellen kleine Stäbchen mit geknüpften Schnüren aufzustellen. Die Silberelfen, gefragt was sie da taten, gaben keine oder ausweichende Antworten. Selbst Finyen baten sie, nicht antworten zu müssen. Dann passierte eine lange Zeit nichts mehr. Es war als würden alle Steppenelfen auf irgend etwas warten. Dann eines Morgens sah man einen der Ältesten mit dem blauen Beutel zum Baum gehen, um langsam und sorgfältig das Gras an seinem Fuß einzuschneiden und zur Seite zu klappen. Danach streute er die Erde um den kleinen Stamm herum auf den bloßliegenden Boden. Anschließend ging er zu einen immer bereitstehenden Wasserbeutel und goß vorsichtig Wasser auf die Erde. Danach schloß er die Grasdecke und ein glückliches Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Nun traten die zwölf anderen vor und gingen zu den kleinen Markierungen. Dort pflanzten sie vorsichtig die kleinen Sprößlinge in die Erde Titanias ein.
Anschließend besprengten ein paar Wassermännlein aus einer am Wiesenrand entstandenen Quelle die ganze Wiese. Auch sie hatten niemanden verraten worum es ging oder warum sie in letzter Zeit häufiger mit den Steppenelfen zusammensaßen. Kurz nachdem sie mit ihrer Arbeit fertig waren, versiegte die Quelle, so plötzlich wie sie entstanden war und mit ihnen die Quellmännlein. Danach luden die Steppenelfen jedes Wesen, das sich in der Nähe befand, zu einem Fest ein. Auch Finyen wurde eingeladen und der Silberelfe, der ihr die geknüpfte Einladung übersetzte, konnte nicht schnell genug wieder zur Wiese, denn auch er war eingeladen worden. In der Einladung wurde lediglich gesagt, daß die Steppenelfen zum ersten mal mit allen das Marie da Lanaru in ihrer Heimat feiern wollen. Finyen ahnte etwas. Sie mußte nicht erst einen Windkobold fragen, um zu wissen, das es am Wald der Stimmen, den einzigen Wald der Stimmen, den alle Steppenelfen kannten und ihren Wald nannten geregnet hatte. Es war dies der erste Regen in diesem Jahr, auch wenn es in Titania brütend heiß war. Der Hinweis auf ihre Heimat ließ sie hoffen, daß endlich die Steppenelfen ein Stück ihrer Welt nach Titania gebracht hatten wie es schon die anderen Naturgeister gemacht hatten.

Am Abend als auch die Zwerge mitfeiern konnten kehrte plötzlich Ruhe ein. Langsam ging ein kleines Kind auf Finyen zu und hielt ihr eine bunte sehr kunstvoll geknüpfte Schnur entgegen. Neben ihr hörte sie eine Stimme die von überall und nirgends zu kommen schien. "Geh zum Baum und häng ihn dort an einen Ast, Finyen die du Oberon vertritzt." hörte sie und verspürte ein leichtes Kitzeln in ihrem linken Ohr. Langsam und schweigsam, tat sie wie ihr gesagt worden war, und hängte die Schnur in den Baum. Fast schien es so als hielte ihr der Baum einen ganz bestimmten Ast entgegen, und sie war viel zu freundlich als das sie diese Geste nicht wahrnehmen würde. Danach ging sie wieder zu ihrem Platz. Als sie sich umdrehte schien es fast so als würde ihr Ast direkt im Herz der Baumkrone hängen. Nacheinander traten nun andere Naturgeister vor und hängten ihrerseits Schnüre in den Baum. Die kleine Stimme in ihrem Ohr erzählte ihr, das jede Schnur die Art ihres Trägers wiedergab. Als erstes trat ein Zwerg zu dem Baum und hängte vorsichtig seine Schnur hinein. Danach ein Waldelf, ein Kobold, eine Silberelfe, ein Quellmännlein usw. Bei Wesen die zu schwach oder zu klein waren um die Schnur zu Tragen wurde ihnen von jungen Steppenelfen geholfen. Als letztes trat Tabata etwas unsicher vor. Auch ihr wurde eine Schnur gegeben. Langsam nahm sie sie entgegen und machte kurz den Ansatz sich im Ohr zu kratzen um dann mit einer fast schuldbewußt schnellen Geste die Hand wieder sinken zu lassen. Danach trat auch sie zum Baum und hängte ihre Schnur auf. Sie war der letzte Naturgeist der dies tat. Danach riefen ein paar Steppenelfen mit lauter Stimme zum Essen dem auch viele sofort folgten. Nur Finyen, der alte Steppenelf und Niella blieben noch stehen. Finyen wandte sich an den Alten und sagte:" Nun haben also auch die Steppenelfen ein Stück ihrer Heimat hier.". Der Alte sah erst sie, dann den Baum an und entgegnete dann:" Der Blutbaum wächst überall, aber ein Seelenbaum wächst nur in der Heimat der Steppenelfen. Hier war schon längst unsere Heimat", danach schwieg er etwas und fügte dann mit einem schmunzeln hinzu" ob ich alter Mann es wohl wagen darf eine junge Silberelfe zum Tanz zu führen?" und hielt ihr lächelnd seine Hand hin. Gern willigte Finyen ein und die beiden ließen eine lauthals lachende Niella zurück.

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