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Hintergrund dieser Geschichte sind der Frühsommercon in Neumarkt/Opf., der Plot des Marsches und die Naturgeisterzeremonie Teil 1 auf dem Fest des Friedens im Sommer 41 n.d.F. / Herbstein 2004

Die Holden
oder
Brot für Clanthons Kinder

Der erste Strahl der Morgensonne kitzelte mich in der Nase. Unwillig drehte ich mich zur Seite und wollte eigentlich weiterschlafen, da fiel mir etwas ein, dass mich mit einem Schlag hellwach werden ließ. Ich hatte eine Verabredung!

Die Wasser des Blausilber glänzten im Morgenlicht, die Sternblumen öffneten ihre zarten Blüten und das Land um mich herum strahlte wie am ersten Morgen nach der Schöpfung. Am Ende des Uferweges angekommen ließ ich meinen Umhang zu Boden fallen, schloss die Augen und genoss die Wärme der Sonne.

"Ihr seht wirklich glücklich aus, mein Augenstern! Das Leben in Oberons Reich bekommt Euch wohl!" Der Erwartete war da.
"Anthardes, mein Freund! Wie schön Euch zu sehen! Ja, es geht mir gut, und wenn Ihr wollt, so erzähle ich Euch, warum ich Euch bat, zu kommen. Doch lasst uns in den Garten zurückkehren, mein Frühstück erwartet mich dort. Und ich denke, auch Ihr seid einer Karaffe Blütentee nicht abgeneigt."

Der Garten hinter dem ehemaligen Waisenhaus von Neu-Descaer war mein eigentliches Zuhause in meinem neuen Leben. Zwischen den Bäumen schimmerte der See hindurch, ich konnte das leise Rauschen seiner Wellen vernehmen. Die Rosen entfalteten ihre ganze Pracht und die Laube aus hellem Holz war schon grün umrankt. Überrascht blieb Anthardes stehen. Dann lächelte er. "Ihr habt viele kleine Helfer hier versammelt, meine Freundin!" Er wies auf das Rosenbeet, über dem schillernde Flügelchen schwirrten. "Ich liebe meine Blumen und ich glaube, sie lieben mich. Eines Morgens waren sie da! Ich habe auch noch einen Wasserkobold zu Gast, der mir beim Bewässern hilft. Es war nur ein wenig schwierig, ihr begreiflich zu machen, dass sie mich nicht zu gießen braucht..." Ein Windstoß traf mich und ließ mich taumeln. "Oh Verzeihung! Ich vergaß beinahe, meinen Windkoboldfreund zu erwähnen. Und weil er Schwierigkeiten hat, meine Leuchter nicht auszublasen, habe ich im Garten eben Glühwürmchenbeleuchtung ..." In gespielter Verzweiflung hob ich die Hände und Anthardes grinste. "Falls der Tee schon kalt geworden sein sollte, wäre auch das leicht zu ändern, aber eigentlich wollte ich meinen neuen Tisch noch etwas länger behalten - es wäre wirklich traurig, ihn in Rauch aufgehen zu sehen ..." Jetzt lachte der Nymph aus vollem Hals. "Es ist wahr, sie sind ein wenig ungestüm, die verspielten Kobolde und naiven Kleinfeen. Ihre Hilfsbereitschaft ist oft ... überwältigend." "Doch bin ich ihnen dankbar für ihre Zuneigung. Ohne jene freundliche Sylphide als Übermittlerin meiner Nachricht hätte ich länger warten müssen auf Euch!"

Wir ließen uns nieder und tranken Tee. Dann berichtete ich.
"Wie Ihr wohl wisst, war ich zum Frühsommerfest im Dorf der Waldelfen geladen, als Gast von Vanyar und Keo. Dort geschah etwas, dass ich nie und nimmer erwartet hätte. Noch eine Sterbliche war gekommen, auf der Suche nach mir. Meine geliebte Adsahartha hatte in Clanthon die Botschaft vernommen, dass ich noch lebe und mich hier in Oberons Reich aufhalte. Sie war in Begleitung ihrer kleinen Tochter Fee mit einem Schnellsegler gereist und hatte Vanyar in Titania aufgesucht. Meine Freude war so groß, dass mir schier die Worte fehlten. Doch dem nicht genug.
Beim abendlichen Festmahl erhob sich die kleine Fee, trat vor Vanyar und sagte mit leiser Stimme, dass sie auch ein Naturgeist sein wolle. Scheinbar vernahm das Kind Oberons Ruf, wie Vanyar mir erklärt hat.

Irgendwie gelangte diese Kunde auch an das Ohr von Pendror ra Ys, dem Kämmerer von Clanthon. Er schrieb einen gar freundlichen Brief an Finyen del Lian, in dem er den Naturgeistern Fees Wohl und Wehe ans Herz legt. Doch anscheinend glaubt er, wir würden sie zu uns in die Yddia holen. Daran ist doch gar nicht zu denken! Ein Kind von seiner Mutter zu trennen kann nicht recht sein.
Aber sie ist ein Mündel unseres Volkes und deswegen bat ich um dieses Treffen mit Euch. Ich brauche - wieder einmal - Euren Rat. Was kann ich tun, um das Kind in diesem armen, wirren Land zu schützen? Ihr habt mich gelehrt, dass die Naturgeister niemals uneingeladen erscheinen, und sie ist noch so jung - sie weiß das bestimmt nicht..."

Nachdenklich lehnte Anthardes sich zurück. "Auch wenn sie unser Mündel ist, so sollte sie doch in Clanthon und bei ihren Eltern verbleiben. Mag sein, dass unsere buckelige Verwandtschaft, das Hügelvolk, Kinder mit sich nimmt, wir tun so etwas jedoch nicht." Ich nickte erleichtert. "Dem Kind einen schelmischen Kobold oder eine neugierige Kleinfee zu senden könnte zu großen Schwierigkeiten führen, sie verstehen euch Sterbliche nicht wirklich ...."

Wie um seine Worte zu bekräftigen, zauste eine plötzliche Brise meine Haare. Scheinbar hatte der Windkobold etwas dazu zu sagen. Anthardes lächelte erfreut und sagte: "Wenn die kleine Fee unsere Hilfe braucht und in den Wind spricht, dann werden wir sie hören und an ihre Seite eilen ... doch wie soll sie davon erfahren?" Ich schlug mir an die Stirn. "Die Holden! Die Holden von Descaer, jene, welche damals die Flüchtlinge hierher in die Yddia begleitet haben! Ich könnte einige von ihnen bitten, nach Clanthon zurückzukehren und mit Fee zu sprechen! Sie können jederzeit nach Clanthon gehen, es ist schließlich ihre eigentliche Heimat. Ich will sie gleich fragen! Begleitet Ihr mich auf die Sternblumenwiese? Dort sind sie meist zu finden."

Wenige Schritte später stand ich in dem Blütenmeer und rief laut: "Ihr Holden, Crysalgira braucht noch einmal Eure Hilfe! Bitte hört mich an!" Im Nu umschwirrte mich ein Dutzend goldener Flügelpaare. "Ich danke euch, dass ihr gekommen seid, ihr schönsten Geschöpfe Clanthons. Stets habt ihr die Menschen aus Descaer treu beschützt und nun braucht erneut ein Menschenkind euren Schutz: die kleine Fee, Adsaharthas Tochter. Sie soll wissen, dass sie nur in den Wind sprechen muss, um gehört zu werden, und dass gute Geister sie behüten."
Aufgeregtes Flügelschwirren und dann vernahm ich ihre Stimmen. "Wir werden nach Clanthon gehen und tun, worum du uns gebeten hast!"
Da kam mir noch ein Gedanke, ich wollte noch mehr tun, um Clanthons Kindern zu helfen. Brot! Die Holden, diese Wesen der Magie, vermochten es wohl, Brot aus Neu-Descaer zu den Kindern in meiner alten Heimat zu bringen!
Sie mussten meine Gedanken gelesen haben, denn noch einmal hörte ich sie auf ihre lautlose Weise zu mir sprechen. "Ja, das wollen wir tun!"

Was hat Anthardes wohl gedacht über die seltsamen Wege der Sterblichen, als ich ohne viele Worte zurück in die Stadt und geradewegs zur Bäckerei lief! Willem war zunächst ein wenig erstaunt über meinen Auftrag, doch als ich ihm erklärte, worum es mir ging, rief er nicht nur seinen Gesellen und die Lehrburschen zu Hilfe. Viele fleißige Hände mischten und formten, schleppten Mehl und Wasser und Holz herbei. Es war kaum Mittag, da glühten schon die Öfen und dieses Mal war die Hilfe der Feuerkobolde äußerst willkommen.

Copyright © August 2004 by Crysalgira