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Von Kobolden, Schätzen und Waffen Gnisseldrix, ein Waldkobold, saß wieder einmal in der Krone seines Wohnbaumes und stopfte Unmengen von Eicheln in sich hinein. Dies ist eigentlich nicht weiter erwähnenswert, denn das machte er/sie/es fast täglich. Aber dennoch, es sollte noch ein sehr turbulenter Tag werden. Ungefähr zur selben Zeit war Finyen del Lian in der Nähe nach Dewhani Estrivel gewechselt. Da dies für Silberelfen bekanntermaßen nicht ganz einfach ist, war Finyen etwas erschöpft. Zudem kam sie scheinbar gerade von den Menschen zurück, denn sie hatte ihre Rüstung angelegt und ihr Schwert sehr undamenhaft geschultert. "Menschen, hörte man es leise schimpfen, " jedes Mal muss man dieses Metallzeugs herumschleifen, damit man von ihren Führern ernst genommen wird". Während Finyen in ihren nicht vorhandenen Bart murmelte näherte sich immer mehr der Wohneiche von Gnisseldrix Sippe, bis sie sich schließlich unter einer mächtigen Kastanie hinsetzte und ihre Rüstung auszog. Unser Kobold hatte während dessen längst seine zweite, oder war's die dritte?, Hauptmahlzeit unterbrochen und war den seltsamen metallischen Geräuschen entgegengeschlichen. Die Neugier hatte ihn gepackt. So lief er hoch über dem Waldboden über Äste und sprang, wie seine Freunde, die Eichhörnchen, von Baum zu Baum. Als er Finyen dann schließlich entdeckte, hatte sich diese bereits entblättert, und war unter der Kastanie eingeschlafen. Dabei schmiegte sie sich an den Baum, wie man es eigentlich von frisch Verliebten kennt, die sich unbeobachtet wähnen, und die gemeinsame Zeit für ein Schäferstündchen nutzen. So schlafend, ganz ohne Rüstung sah Finyen wirklich nicht besonders gefährlich aus, sondern mehr wie ein Opfer. Ein Opfer, Gnisseldrix musste grinsen, wie geschaffen für den einen oder anderen Streich. Welche Gelegenheit. Die Feldherrin der Naturgeister war ihm schutzlos ausgeliefert. Sofort fielen Gnisseldrix einige Streiche ein, aber er konnte sich nicht entscheiden. So entschloss es sich, zunächst einmal etwas näher heranzuschleichen, um sich die Rüstung der Silberelfe anzuschauen. Nein, wie das funkelte. Probeweise versuchte er, das Kettenhemd, das im Gras lag, aufzuheben. Nein, das war viel zu schwer und außerdem furchtbar unhandlich. Der Kobold ließ den Blick schweifen, da sah er es. An der Rückseite der Kastanie stand ein Schwert. Ein riesiges Schwert, dessen Parierstange bläulich in der Sonne glänzte. Das Griffstück des Schwertes war mit schwarzem Leder überzogen. Den Rest des Schwertes konnte Gnisseldrix nicht sehen, da das Kleinod seine Klinge in einer schlichten, braunen Lederscheide verbarg. Einem solch überwältigenden Eindruck konnte der Kobold nicht widerstehen. So schlich er sich vorsichtig näher heran. Das Schwert war wirklich riesig. Und wie es blitzte und funkelte. Das war eindeutig ein Schatz, sein Schatz. Längst hatte Gnisseldrix Finyen und seine Streiche vergessen. Er hatte einen Schatz gefunden. Kurz entschlossen zog er am unteren Ende der Schwertscheide bis das Kleinod ins weiche Moos fiel. Dann fasste er es an der Parierstange und zog das Schwert unter großen Mühen hinter sich her. Der Kobold brachte es zu seinem Versteck unter dem Holunderbusch am Bach. Dort hatte er in einem ehemaligen Fuchsbau seine ganz geheime Schatzkammer untergebracht. Dort angekommen säuberte er die Scheide von Laub, Humus und einer vorwitzigen Ameise, die er sofort aus seinem Versteck verwies. Dann räumte er seine anderen Schätze zur Seite, um Platz für das Schwert zu machen. dass dabei sein bisher wertvollster Besitz, eine Aderschwanzfeder in Mitleidenschaft gezogen wurde, störte ihn wenig. Als das Kleinod schließlich an seinem Platz war, setzte sich Gnisseldrix mit abwesend verträumten Blick neben seinen neu gewonnenen Schatz und starrte dasselbe versonnen an. Finyen, die unterdessen wieder aufgewacht ist, sammelte ihre im Gras verstreute Rüstung auf. Sie wollte gerade gehen, da fiel ihr auf, dass ihr Schwert fehlte. Sie suchte den Platz um die Kastanie erneut ab. Aber sie wurde nicht fündig. Dieser Umstand war der Laune unserer Feldherrin nicht gerade förderlich.
"Verfluchtes Mistding, wo steckst du? Das darf es doch nicht geben. Geisterinsel hin oder her, ein Schwert bekommt keine Füße und rennt davon. Wo hab ich das unnütze Ding nur hingestellt?" Das Schimpfen der wortgewaltigen Feldherrin war weithin zu hören. So bekam auch Chamiel an Oisin, der gerade zusammen mit Vanyar yil Kaylbor und Keo Falkenauge durch den Wald streifte, mit, dass Finyen ganz in der Nähe war und sich scheinbar über irgendetwas oder irgendjemanden furchtbar aufregte. " Kommt mit" rief er Vanyar und Keo zu, "vielleicht können wir helfen. Zumindest aber kann ich euch unserer Feldherrin vorstellen". So eilten die drei Waldelfen Finyen entgegen. Chamiel, der sich offensichtlich auf das Zusammentreffen mit Finyen freute, rannte voraus und kam mit einigem Vorsprung bei Finyen an. "Hallo große Heerführerin (grins), hast du dir ein paar Menschen mit auf die Geisterinsel genommen? Soweit ich weiß, sind doch die Sterblichen das einzige, was dich normalerweise so aufregt". Chamiel grinste über das ganze Gesicht, als er ungestüm auf Finyen zustürmte und sie heftig umarmte. "Schau an, Chamiel, der Waldhüpfer". Finyens Ärger schien verflogen. "Kann man sich denn nicht einmal mehr in Ruhe ärgern? Du tauchst auch immer nur dann auf, wenn man dich überhaupt nicht gebrauchen kann!" Die Beiden neckten sich noch eine Zeit lang und balgten wie die Kobolde durch den Wald. Vanyar und Keo, die unterdessen eingetroffen waren, beobachteten ungläubig das wilde Treiben. "Was für Kindsköpfe" raunte Vanyar Keo kopfschüttelnd zu. "Also die Feldherren, die ich bisher kennengelernt habe, sind meines Wissens nicht nackt durch den Wald gesprungen und haben "Hasch mich" gespielt. Und schau dir an, wie sie ihre Rüstung behandelt! Einfach ins Gras geschmissen!!!!!! "Ach Vanyar" unterbrach Keo ihren Ehemann, "sei doch nicht immer so schrecklich ernst. Die beiden haben sich bestimmt schon länger nicht mehr gesehen. Schau dir an, wie sie sich freuen. Und tadelnd fügte sie hinzu: "Manchmal benimmst du dich wie ein Mensch." Vanyar nahm die Schelte grinsend entgegen. Es war doch immer wieder schön, von seiner Frau belehrt zu werden. Plötzlich brach ein schwarzes Etwas aus dem Gebüsch und rannte auf Finyen und Chamiel zu. "EEEEYYYYK, NEIN." Aber Vanyars Rufen kam zu spät, Eyk, des Schmieds treuer, tierischer Freund hatte bereis zum Sprung angesetzt. Er machte einen gewaltigen Satz und landete genau hinter Finyen, die erschrocken zusammenfuhr. Leider konnte der Hund seinen Schwung nicht mehr in andere Bahnen lenken. Er rutschte Finyen genau in die Kniekehlen und holte sie so von den Beinen. Und da sie schon einmal lag und so interessant roch, wurde sie dann erst einmal ausgiebig inhaliert und gewaschen. Die schlanke Silberelfe, die einen eindeutigen Gewichtsnachteil hatte, setzte sich verzweifelt zur Wehr. "Chamiel, hilf mir, der Sumpf ist über mich gekommen. Nimm die schlabbernde Bestie von mir runter." Der Waldelf aber konnte ihr nicht helfen, weil er soeben von Lachkrämpfen geschüttelt zu Boden gefallen war und sich krümmte. Vanyar und Keo, die Finyen an sich "zur Hilfe" eilen wollten, lagen ebenfalls auf dem Waldboden und japsten nach Luft. Eyk hatte eine Freundin gefunden. Und was für eine!!!!!!! Finyen, die die Sinnlosigkeit ihrer Gegenwehr einsah, ließ das große, schwarze Fellknäuel einfach gewähren. Schließlich gelang es Vanyar, die Silberelfe aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Einige Minuten später hatten sich die Gemüter dann soweit beruhigt, dass wieder eine einigermaßen vernünftige Unterhaltung zustande kam. "Finyen ich darf dir Vanyar und Keo vorstellen". Die beiden sind zusammen mit ihrem Sohn vor Kurzem zu uns gekommen. Ah ja und dann wäre da natürlich noch Eyk, Vanyars Gefährte und Freund. Aber der hat sich ja bereits vorgestellt." "Vanyar, wenn das eben gerade die freundliche Seite deines Begleiters war, dann möchte ich ihn gerne zu den nächsten Verhandlungen mit den anderen Feldherren mitnehmen. Ich bin sicher, dass meine Argumente durch Eyk`s Anwesenheit entscheidend an Gewicht gewinnen würden. Außerdem bräuchte ich dann dieses vermaledeite Schwert nicht mehr". "Ach ja, der Metallprügel" Finyen schaute resignierend um sich. "Das ist der Grund, warum ich vorhin etwas die Beherrschung verloren hatte. Mein Schwert ist weg. Oberon weiß, wo das Ding abgeblieben ist". Finyen erzählt den drei Waldelfen die mysteriöse Geschichte. "Seltsam", meinte Chamiel. "Lasst uns doch noch mal suchen. Irgendwo muss das Ding ja sein." Und gerade als sie sich erheben wollten, kam Gnisseldrix hinter einem Baum hervor. Der Kobold hatte seine unschuldigste Unschuldsmine aufgesetzt und kam vorsichtig näher. Der Hund, der daneben dem schwarz gekleideten Waldelfen mit den dicken Armen im Gras lag, war ihm gar nicht geheuer. Aber was sollte er machen? Das schlechte Gewissen quälte ihn. Denn selbstverständlich war er schon einige Zeit in der Baumkrone der Buche gesessen und hatte die Elfen belauscht. Dabei wollte er eigentlich nur noch einmal nachsehen, ob hier nicht vielleicht noch so ein Schatz herumliegt. "Sucht ihr etwas?" fragte der Kobold frech. "Das hier ist nämlich ein guter Platz zum Finden. Ich habe hier in der Nähe heute schon einen Schatz gefunden". Finyen, die den Kobold kannte, dämmerte es langsam. "Ist dein neuer Schatz vielleicht ein Schwert und hat an der Kastanie dort gelehnt?" "Äääähhhhh, kann schon sein, warum?" Jetzt wusste Finyen sicher, wo ihr Metallprügel abgeblieben war. "Gnisseldrix, stell dir vor, ich habe mein Schwert verloren. Und das, wo ich es so nötig brauche, Könntest du uns beim Suchen helfen?" "Ein Schwert suchst du also, Hmmm, wie sah es denn aus?" Nachdem Finyen dem Kobold ihr Schwert in all seinen Einzelheiten beschrieben hatte, gab er schließlich zu, dass er das Schwert gefunden und mitgenommen hatte. "Finyen, sei nicht böse, ich wusste nicht, dass es dein Schwert war. Es stand schließlich mutterseelenallein im Wald. Und weil's so schön gefunkelt hat, hab ich's mitgenommen. Warte hier, ich bring's dir zurück." Schweren Herzens schlurfte der Kobold zurück zum Holunderstrauch, um Finyens Schwert zu holen. Dabei hätte er es so gerne behalten. Aber es gehörte nun mal Finyen, da konnte man nix machen. Und etwas zu nehmen, was jemand anders gehört, kam für Gnisseldrix nicht in Frage. Es war schon eine Plackerei, das unhandliche Ding, den ganzen Weg zurückzuschleppen aber sein Stolz hinderte ihn daran, die anderen um Hilfe zu bitten. Er hätte sich zum Gespött des ganzen Waldes gemacht. Und das wäre ihm sehr unangenehm gewesen, denn schließlich hatte er ja einen Ruf zu verlieren. So blieb ihm nichts anderes übrig, als seinen kleinen Körper nun zum zweiten Mal an diesem Tag über alle Maßen zu strapazieren. Und so schleifte er den Schatz zurück zu der großen Buche, wo die anderen auf ihn warteten. Dort übergab er wortlos und schweren Herzens das Schwert an Finyen. Seltsamerweise bekam Finyen jetzt das schlechte Gewissen, denn eigentlich brauchte sie das Schwert auf der Geisterinsel nicht. Sie spielte schon mit dem Gedanken, es Gnisseldrix zu schenken. Als Feldherrin konnte sie sich bei den Zwergen oder bei den Schmieden von Ceothalan ein neues besorgen, oder das alte Schwert von Gnisseldrix ausleihen, falls sie es einmal wirklich dringend brauchen sollte. Vanyar, der das Drama mit angesehen hatte, fing plötzlich an zu grinsen. "Gnisseldrix, wenn du unbedingt ein Schwert haben willst, dann schmiede ich dir eben eins." Finyen musterte den Neuankömmling neugierig. Vanyar war ein Schmied? Gnisseldrix hingegen war schlichtweg begeistert. Er hüpfte ausgelassen umher und schnitt dabei die merkwürdigsten Grimassen. "Ein Schwert, ganz für mich allein? So richtig mit aus glitzernden Metall und mit bunten Steinen? So was kannst du? Meinst du wirklich, das geht?" Gnisseldrix war überglücklich. "Wenn ich sage, du bekommst ein Schwert, dann bekommst du auch eins. Aber eins in deiner Größe! Damit du dir nicht wieder einen Bruch hebst." Vanyar freute es, den kleinen Kerl so glücklich zu sehen. Und außerdem hatte er hier sowieso nicht viel zu tun. Wie auch? Da es langsam dunkel wurde, lud Chamiel Finyen und Gnisseldrix zum Abendessen ein. Und so ging die kleine Gruppe zum nahegelegenen Waldelfendorf. Der Kobold durfte sogar auf Eyk reiten. Gnisseldrix hielt sich an den Ohren seines inzwischen besten Freundes fest und beide fegten wild durch den Wald. dass der kleine Reiter dabei einige Schrammen davontrug, weil Eyk durch jedes auch noch so dichte Gebüsch rannte, störte dabei nicht weiter. Im Dorf war erwartungsgemäß bereits ein großes Fest im Gange und die Neuankömmlinge wurden herzlich mit Met, Wein und Bier begrüßt. Dann wurde bis zum frühen Morgen getanzt, gefeiert und gelacht. Nur Gnisseldrix und Eyk strichen bei Zeiten die Segel. Eyk hatte sich etwas abseits zusammengerollt und schlief satt und zufrieden ein. Und in der Bauchkuhle teilten sich Vanyars und Keos Sohn und Gnisseldrix eine warme, weiche Schlafstatt. Am folgenden Tag musste sich Finyen schweren Herzens von ihren neu gewonnenen Freunden verabschieden. Denn Oberon wartete bestimmt bereits ungeduldig auf den Bericht der Feldherrin. Ja Ja, auch Naturgeister haben's nicht leicht. Vanyar
1995 |