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Anerkennung

"Hab ich dich endlich gefunden, du fauler Kerl", schimpfte Doran, der Zwergen-Bergmann, "du solltest schon vor zwei Stunden bei deinem Bruder Balin im neuen Stollen sein."
"Schon gut, schon gut", beschwichtigte Dorin, Dorans jüngster Sohn und ärgerte sich bei dem Gedanken aus dem blühenden, grünen Wald in die graue Kälte und Stille der Felsen gehellt zu müssen "Ach Sohn, was mache ich nur mit Dir" seufzte Doran," du warst so vielversprechend als du jung warst; deine Mutter und ich, wir waren so stolz, als du geboren wurdest." Schweigend hörte sich Dorin eine der üblichen Mischungen aus Schimpfe und Enttäuschung an.
Er zählte erst 37 Winter, was für einen Zwerg nicht sehr viel war und hatte seit seinem 20. Winter mehr Schelte erhalten als ein normaler Zwerg in seinem ganzen Leben. Er konnte doch nichts dafür, dass er so gar nichtzwergische Vorlieben hatte.
"...alle Deine Brüder sind wohlgeraten. Balin zum Beispiel ist ein vortrefflicher Bergmann, Toran geht nun zu Delanor, dem Meisterschmied unseres Volkes, um seine Lehre zu vollenden. Aus allen ist etwas geworden, nur aus dir nicht." "Das ist nicht meine Schuld", dachte Dorin, "aber das konnte ich mir ja nicht aussuchen !" Und antwortete nicht.
Vielleicht, dachte er bei sich, hatte es doch mit seiner Geburt zu tun immerhin war er ein siebter Sohn.
Viele Naturgeister glauben, dass die siebtgeborenen Kinder etwas besonderes seien. Die meisten Zwerge glauben, dass siebtgeborene Töchter gute Schmiede, siebtgeborene Söhne gute Bergleute abgeben. Da war es nicht verwunderlich, dass Doran, der aus einer Bergmannsfamilie stammte, so verbittert war.
Verstohlen winkte Dorin seiner Lieblingseiche zu, deren größte Astgabel er immer als Sitzplatz benutze.
". . . Bäume, wenn ich das schon höre. Am besten noch mit Feen nachts durch den Wall tanzen, was? Kommt nicht in Frage, nicht mein Junge!" grummelte Dorin.
Unter weiteren Brummeleien Dorans erreichten sie den Eingang zum Stollen und machten sich an den Abstieg.
Eine Meile und viele bergmännische Ratschläge später erreichten sie den neuen Stollen. Hier arbeitete Balin, Dorans ältester Sohn und einige andere Zwerge.
"Pass gut auf den Strolch auf, Balin und gib ihm ordentlich was zu tun" sagte Doran. "Wird gemacht, Vater" antwortete dieser. Dorin band sich eine schwere Lederschütze um, setzte den Grubenhelm auf und nahm seine Spitzhacke.
Schweigend ließ er sich von seinein älteren Bruder anweisen. Er begann mit der Arbeit. Es machte ihm keinen Spaß und das war ihm anzumerken. Seine Finger waren nicht ungeschickt, aber die meiste Zeit war er unkonzentriert oder träumte vor sich hin. Und obwohl er stark und kräftig war, hatte er doch am Ende des Tages nur die Hälfte von dem geschafft, was er machen sollte. Dies brachte ihm neuerlichen Tadel ein. "Was Solls", dachte er sich, holte zuhause sein Abendessen und machte sich auf den Weg in den Wald. Dorin fühlte er sich sogleich wohler. Es war Frühling und die Natur erwachte zu neuem Leben. Alles wurde wieder grün, die Blumen blühten und seine Lieblingseiche trug schon wieder Blätter. Langsam wurde sein Herz wieder leichter. Alles war wie immer, nur dass, und das fiel ihm auf, die Bäume heute viele Geräusche machten. Ein ständiges Wispern und Rascheln war zu hören. "Eine Menge los heute" sagte sich Dorin und kletterte in seine geliebte Astgabel. Während er aß, bemerkte er nach einer Weile ein Eichhörnchen, das neugierig in seine Richtung schnupperte. Vorsichtig streckte Dorin seine Hand mit einem Stück Kohl aus. "Ich tue dir nichts, kleiner Freund" sagte er. Und tatsächlich, das Eichhörnchen kam näher, fraß den Kohl und einige andere Leckerbissen, die Dorin ihm reichte. Nachdem sie gegessen hatten, kuschelte das Eichhörnchen sich behaglich an Dorins Bauch und sie nickten gemeinsam ein. "Er sieht schon viel besser aus.", grollte eine tiefe Stimme. "Stimmt", wisperte eine andere. "Aber ihr habt ihn doch heute morgen gesehen, bei so viel Leid können einem ja die Blätter welken", sagte eine ebenso tiefe Stimme wie die erste. "Wir sollten mal mit seinem Vater reden" verkündete eine hohe Stimme.
Dorin wachte auf. "Komisch" sagte er zu dem Eichhörnchen, "können Bäume etwa sprechen'?", er blickte sich verwirrt um. "Natürlich können sie", kicherte eine Birke. "was dachtest du denn?" sagte die große Eiche und ließ Dorin in der Astgabel hüpfen.
'Ich glaube ich träume immer noch" sagte Dorin. "Nein, tust du nicht," sprach eine nahegelegene Weide und zupfte ihn am Bart. "lass die anderen doch schimpfen" wisperte die feine Stimme wieder und Dorin erblickte eine junge Pappel. "Für uns bist du etwas ganz besonderes, du bist ein Wächter, du weißt es bloß nicht."
"Was ist ein Wächter?" fragte Dorin verwundert. "Warte" grollte die große Eiche wieder, und es klang sehr freundlich, "Wir zeigen er dir." Sanft setzte sie Dorin auf den Boden. "Mache die Augen zu, lege dich auf den Boden und nun fühle...".
Dorin tat was der alte Baum gesagt halte und plötzlich verstand er: Nun war, als könne er tief in die Erde blicken ... er fühlte wie seine Wurzeln Wasser aufnahmen, wie viele kleine Tiere in ihm, dem Boden, lebten. Er spürte das erhebende Gefühl eines Schösslings, wenn er zum ersten Mal die Eroberfläche durchbrach. Er lief mit den Hirschen, jagte mit den Wölfen und sprang mit den Fischen durch das Wasser. Er fühlte den Wind unter seinen mächtigen Schwingen.
"...ja", sagte Dorin, "nun habe ich verstanden."
"Wurde ja auch Zeit," piepste eine helle Stimme dicht neben seinem Ohr, "schließlich beobachte. ich dich ja seit drei Wintern" ,verkündete das Eichhörnchen stolz.
"Jetzt steh aber trotzdem auf und komm mit, wir haben eine Menge zu tun. Übrigens, ich heiße Twix." fügte es hinzu. "Aha", sagte Dorin, "und wo gehen wir jetzt hin?"
"Nach Arborlon natürlich, zu Liranya, sie ist die höchste Wächterin der Wälder im Augenblick. Arborlon liegt übrigens auf der Geisterinsel."
Da die Entfernung für Naturgeister zuweilen keine Rolle spielen, kamen sie schon nach zwei Tagen in Arborlon an (auch wenn Dorin trotz, allem nicht viel von Zauberkräften hielt, schließlich war er immer noch ein Zwerg, und hatte zwei gesunde Beine). Die Stadt erschien ihm wie ein Paradies. Sie bestand aus etwa 20 bis 30 riesigen Bäumen, die natürlich gewachsene Wohnungen enthielten. So hatte es ihm Twix zumindest erzählt als er ihn zu seinem Quartier brachte. Dort erhielt er auch neue Kleidung. Er tauschte das Bergmannsgrau mit dem Braun und Grün der Waldläufer. Die Sachen waren wie für ihn geschneidert, ob sie ihn wohl schon erwartet hatten? Twix war es auch, der Dorin zur Eile antrieb. Liranya lässt man nicht warten!" sagte er bestimmt.
Sie verließen den Raum, der nach. frischem Holz und Blättern duftete und Dorin bestaunte erneut die vollendet gewachsenen Bäume, als Twix ihn durch Arborlon hindurch in einen kleinen Hain etwas außerhalb der Stadt führte. Dort warteten bereits einige Naturgeister, die allesamt in Grün und Braun gekleidet waren. Unter anderem eine schlanke Grauelfe, eine zarte Atomie, ein fröhlicher Wichtel und ein großer Waldtroll. In der Mitte aber, auf dem Ast einer Buche saß eine kleine Waldfee, die trotz ihrer Größe majestätisch wirkte. "Sei gegrüßt, Dorin, wir haben schon auf dich gewartet.", sagte sie, "ich bin Liranya und heiße dich mit meinen Gefährten im Kreis der Wächter und Wächterinnen der Wälder willkommen. Du bist ein vollwertiges Mitglied unserer Gemeinschaft."
"Aber, wie . . . wie denn, ich habe doch gar keine Prüfung abgelegt und keine besonderen Fähigkeiten gezeigt" stammelte Dorin verwirrt. "Das ist gar nicht notwendig", lachte Liranya, "Twix und Erendron haben dich lange genug beobachtet; Erendron kennt dich seit du sieben Winter zählst und er hat dich sehr gern. Er war es auch, der dich als Wächter der Wälder anerkannt hat". "Die große Eiche" durchzuckte es Dorin und er sprach es aus Versehen laut aus. "Genau", lachten die anderen Wächterinnen und Wächter. "Erendron wird dir auch alles weitere erzählen, aber nun empfange erst einmal dein Wächterzeichen." Dorin bekam eine kleine Brosche in Form eines Eichenblattes überreicht. "Erendron hat es für dich in Auftrag gegeben.", sagte Liranya. "Wer hat es gemacht?" Fragte Darin. "Toran, dein älterer Bruder, es ist sein Gesellenstück." antwortete Liranya. "Ja, weißt denn meine Familie schon Bescheid?" "Natürlich", kicherte Twix "dein Vater war zwar etwas brummig, aber immerhin wollte er, dass sein siebter Sohn etwas besonderes wird, und das hat er schließlich geschafft." "Obwohl sein Gesicht sehenswert verblüfft war, als wir ihm gestern mitteilten, dass Du ein Wächter der Wälder bist" grinste Liranya, jetzt ganz Fee und kein bisschen weise oder majestätisch.

Finyen
1992