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Im Jahre 33 nach der Finsternis (2083 nach Kreos, in der Zeitrechnung Clanthons) nahmen die Naturgeister insgesamt 6.000 Kriegsflüchtlinge aus Clanthon bei sich auf. Diese Menschen stammten zum größten Teil aus der Stadt und Markgrafschaft Descaer. Ihnen wurde im Tieflandstreifen, drei Tagesreisen von der Handelsstadt Titania entfernt, ein Landstrich zugewiesen, in dem sie zukünftig leben sollten. Mit ein wenig Hilfe von den Naturgeistern entstand dort durch die Arbeit vieler fleißiger Hände eine Stadt, sowie einige Dörfer und Weiler. Die Stadt selbst nannten die Menschen in Erinnerung an ihre alte Heimat Neu-Descaer.
Neu-Descaer wurde an den Ufern eines kleinen Sees, Blausilber genannt, erbaut. Der Ablauf dieses Sees, die Flüchtlinge nannten ihn anfangs "Weg", später verschliff sich ein Wort der Gäste für diesen Wasserweg zu "Wesiti", führt mitten durch die Stadt. Um die Stadt herum wechseln fruchtbare Savannen und bewaldete Hügelketten einander ab. Im Zentrum der 2.000 Einwohner fassenden Gemeinde befindet sich der Marktplatz. Mitten auf dem Marktplatzes steht eine kunstvoll gearbeitete Steinstele, auf der die Gebote der Natur verzeichnet sind. Die clanthonischen Handwerker haben es sich seinerzeit nicht nehmen lassen, diese Kopie der Stele von Titania aus Dankbarkeit gegenüber den Naturgeistern anzufertigen. Der Marktplatz selbst wurde erst kürzlich mit Naturstein aus dem nahen Steinbruch gepflastert. Das Gesamtbild wird nur durch einen Pranger gestört, der leider ausgestellt werden musste und nun am Rande des Marktplatzes, vor der Zunfthalle steht. Die Zunfthalle, das größte und beeindruckendste Gebäude der Stadt, beherbergt sowohl das Gericht, als auch einen kleinen Kornspeicher und die große Ratshalle. In dieser Halle werden von den Oberhäuptern der verschiedenen Zünfte alle Entscheidungen, die Stadt und alle Flüchtlinge betreffend, getroffen. Der Bau selbst umfasst insgesamt drei Stockwerke mit großen, einladend wirkenden Fenstern. Das zweiflügelige Eingangstor steht fast immer offen, was den freundlichen Charakter des Gebäudes noch verstärkt. Das solide Ziegeldach indessen ist imstande, allen Witterungseinflüssen zu trotzen und die wertvolle Ernte zu sichern. Gegenüber der Zunfthalle erhebt sich ein anderes, kleineres, aber nichts desto trotz auffälliges Gebäude über den Marktplatz. Dabei handelt es sich um das "Gästehaus", dass die Clanthonier, ihren Sitten entsprechend bereithalten, um hohen Besuch zu beherbergen. Das Haus hebt sich allein durch seine Farbenpracht und Verspieltheit von allen anderen Häusern der Stadt ab. Aufwendig gestaltete Mosaike und Malereien zieren die zweistöckige Fassade. Die Innenräume haben die Flüchtlinge, so sagt man, naturgeistergerecht eingerichtet. Nun, die Geschichte wird lehren, wie nahe ihre Vorstellung der Wirklichkeit kommen. Ansonsten wird der Marktplatz von zahlreichen Läden, Handwerksbetrieben und Gasthäusern umrahmt. Eine breite, gepflasterte Straße (Brotweg) führt quer durch die Stadt. Sie beginnt an dem, Titania zugewandten Stadttor (Oberons Pforte), durchquert anschließend den Marktplatz, um dann schließlich am Hafen von Neu-Descaer zu enden. Dort liegen einige Fischerboote, wie auf einer Perlenschnur aufgereiht, nebeneinander am Pier. Man kann aber auch Lastkähne erkennen, die Waren den Wesiti hinunter nach Titania bringen sollen. Wie auch in der restlichen Stadt, herrscht hier von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang geschäftiges Treiben. Erwähnenswert sind zudem noch die beiden öffentlichen Badehäuser, die neueste Errungenschaft der Städter. Die lichten, großzügig gestalteten Gebäude liegen direkt am Ufer des Wesiti, keine 5 Wegminuten vom Marktplatz entfernt. Dort erholen und säubern sich die Menschen. Zudem werden hier Informationen und Gerüchte ausgetauscht. Man ist gesellig, und mach geschäftliche Vereinbarung kam in dieser freundlichen und ungezwungenen Atmosphäre zustande. Auf eine Stadtmauer wollten die Bewohner Neu-Descaers zunächst verzichten, um bei ihren Gastgebern keinen falschen Eindruck zu erwecken. Da sich aber immer wieder Parden und andere wilde Tiere in die Stadt schlichen und es dort auch Todesopfer zu beklagen gab, entschloss man sich, einen Erdwall um die Häuser herum aufzuwerfen. Oben auf dem Wall wurden Dornenhecken gepflanzt, die zum einen in ihrer Farbenpracht schön anzuschauen sind und zum anderen die Tiere des Umlandes wirkungsvoll abhalten. Eines der ersten Gebäude, welche die Flüchtlinge nach ihrer Ankunft erbaut hatten, war das Hospital. Dort wurden die vielen Verletzten und Kranken nach ihrer Flucht aus der alten Heimat versorgt und gepflegt. Das Hospital steht unter der Leitung des Heilers Severian. Der Krieg brachte es leider auch mit sich, dass viele der Kinder in den Kämpfen und Schlachten ihre Eltern verloren hatten. Darum erbaute man, direkt neben dem Hospital ein kleines Waisenhaus, um den Ärmsten und Verzweifeltsten ein Zuhause zu geben. Hier wirkt die Clantherin Anna von Wolkenstedt wahre Wunder. Um das Hospital herum entstand ein kleiner Park. In dieser Grünanlage befindet sich ein Eichenhain, in dessen Zentrum die Clanthonier ihrer Tradition entsprechend ein marmornes Standbild von König Möllbart aufgestellt haben. Hinter diesem Hain, direkt am See, findet man zwischen Trauerweiden verborgen einen kleinen, gepflasterten Platz. Die Steine im Zentrum dieses Ortes sind rußgeschwärzt. Hier und nur hier verbrennen die Clanthonier die sterblichen Hüllen ihrer Verstorbenen, um die Asche anschließend vom Wind auf den See tragen zu lassen. Das gesamte Siedlungsgebiet der Clanthonier beschränkt sich auf ein Areal etwa zwei bis drei Tagesreisen um Neu-Descaer herum. Menschen, die es immer schon gewohnt waren, für ihr Brot zu arbeiten haben hier die Savanne urbar gemacht und wo sich einst das hohe Gras im Wind wiegte, stehen nun Kornähren dicht an dicht, um den Wohlstand der Menschen zu nähren. Wie auch in ihrer alten Heimat zogen es viele Bauern vor, sich außerhalb der Stadt in Dörfern und Höfen niederzulassen. Im Gegenteil bot sich hier für einige mittellose Tagelöhner die Gelegenheit, eigenes Land zu bestellen. Und obwohl noch vor allem viele der Alten die Sehnsucht nach ihrer Heimat im Herzen brennt, findet die Mehrzahl langsam aber stetig zu einem normalen Leben im Reich der Naturgeister zurück. Bewohner von Neu-Descaer Anne von Wolkenstedt
Eine Vertraute der Markgräfin Crysalgira ist sie in der Führungsschicht von Neu-Descaer eine der ältesten(*2031 n.K.). Eine stolze, ranke Frau mit eisgrauen Augen hat sie viel von ihrer standesgemäßen Dünkelhaftigkeit verloren, seit sie unter den Waisen ihr dem Weltenschöpfer gefälliges Werk der Nächstenliebe versieht. Darien Schmiedesohn
Darien ist einer der wenigen Einwohner, die nicht aus Descaer stammen. Ein Gefolgsmanns Pendrors hat es ihn in den Tagen des Krieges nach Descaer verschlagen und es ist dem Zufall zu verdanken, dass er den Übergang in das Reich der Naturgeister mitgemacht hat. Seine Jugend (*2053 n.K.)ermöglicht es ihm, sich mit den Neuerungen schnell zurechtzufinden, dass er ein Handwerk erlernt hat und sich nie zu schade ist, selbst anzufassen, wo Not am Manne ist, verschafft ihm einen Respekt, der über die normale Achtung eines Adeligen hinausgeht. In schwierigen Fällen übernimmt er das Amt des Richters von Neu-Descaer. Elisabeth, die Schreinerin
Die Meisterin der Zimmerer ist ein Naturtalent, wenn es darum geht, Engpässe zu überbrücken oder zu improvisieren. Gerne sieht man der schönen Frau nach, dass sie ihrem Grundsatz lebt, junge Männer würden einer Frau gut stehen (*2044 n.K.). Eberhard von Tann
Ein Clanther alter Schule ist er trotzdem er nur wenig älter als Darien ist (*2051 n.K.), dessen Kontrahent, wenn es um die Neugestaltung der Stadt und der Gesellschaft geht. Dem hervorragenden Kämpfer scheint es zu entgehen, dass die Tage der alten Regeln in Neu-Descaer vorbei sind. Severian der Heiler
Als Sonnentagskind ist Severian mit der Gabe der Heilung in besonderem Maße ausgestattet. Zum Glück für die junge Gemeinschaft von Neu-Descaer ist er von forscher, tatkräftiger Art, so dass er viel für die Kranken und Siechen erreicht, obwohl er kaum zwanzig Jahre zählt (*2064 n.K.). Werner, der Böttcher
Einer der Tatkräftigsten beim Aufbau versucht er den Verlust seiner gesamten Familie in der Arbeit zu vergessen. Es gibt niemanden, für den der gestandene Handwerker (*2045 n.K.) nicht ein offenes Ohr hat.
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